Rocket Internet (RI) zu verstehen ist kein leichtes Unterfangen. Es ist aber wiederum auch nicht allzu kompliziert. Was man jedoch mitbringen muss, ist die Bereitschaft, Zeit und Gedanken zu investieren. Vielleicht erklärt die fehlende Motivation des Marktes, dies zu tun, die Tatsache, dass man Anteile an der Start-up Schmiede zur Zeit recht günstig am Markt bekommen kann.

Chart Rocket Internet SE

Unternehmensprofil
RI gründet und investiert in Internetunternehmen mit bewährten Geschäftsmodellen. Es unterstützt diese Unternehmen operativ, bei der Strategieentwicklung sowie bei der (internationalen) Expansion. Dabei konzentriert sich RI hauptsächlich auf vier Sektoren: Lebensmittel, Mode, Online-Einzelhandel sowie Heim & Wohnen.
In Zusammenarbeit mit RI können erfolgsversprechende Techunternehmen deutlich schneller wachsen als wie wenn sie alleine den Markteintritt forcieren. RI wählt die Portfoliounternehmen nach einer Reihe fester Vorgaben aus. Dazu gehört die Nutzung neuester digitaler Technologien, die die Grundbedürfnisse von Verbrauchern und Unternehmen erfüllen, eine signifikante Skalierbarkeit, attraktive Rentabilitätsniveaus und die Möglichkeit, Marktführerschaft zu erreichen. RI stellt eine einzigartige Plattform dar, die sowohl in neue Geschäftsmodelle als auch in wachsende Unternehmen investiert und für diese erheblichen Mehrwert generieren kann.

Wir haben für unsere Bewertung RIs Aktiva bzw. Beteiligungen in fünf Kategorien unterteilt:
Freie Liquidität, börsennotierte bzw. durch Venture Capital bewertete Unternehmen, kurz- bis mittelfristig geplante IPOs, durch Finanzierungsrunden bewertbare Unternehmen und Start-Ups. 
Die Summe der vier erstgenannten Vermögenskategorien liegt bei 4,5 Mrd. Euro. und somit 34% über dem aktuellen Marktwert RIs.
Unter der Annahme, dass die 100-200 unbekannten, noch in den Kinderschuhen steckenden Start-Ups aus Kategorie fünf (rein statistisch gesehen) einige große Erfolge liefern werden, sehen wir es als durchaus vertretbar an, dieser Kategorie eine Bewertung von 500 Mio. Euro zuzugestehen. In diesem Fall wäre RI aktuell sogar um ca. 50% unterbewertet.

Nachfolgend gehen wir auf die einzelnen Kategorien etwas näher ein.

1. Freie Liquidität:
Diese belief sich zum Ende des 3. Quartals 2018 auf 1,9 Mrd. Euro, was ca. 56% der aktuellen Marktkapitalisierung entspricht.  Diese Mittel stehen frei zur Verfügung, um für Unternehmensfinanzierungen oder alternativ für Aktienrückkäufe zu den aktuell günstigen Kursen verwendet zu werden.


2. Börsennotierte bzw. durch Venture Capital bewertete Unternehmen:
Diese Kategorie stellt aktuell einen Gesamtwert von 1,47 Mrd. Euro dar. Dazu gehören Hellofresh (23% Anteil, Wert: 444 Mio. Euro), Deliveryhero (6%, 351 Mio. Euro), Home24 (29%, 104 Mio. Euro) und Westwing (23%, 98 Mio. Euro) zu nennen. Dazu kommen verschiedene Anteile an US/UK Tech Unternehmen wie Slack oder Resolut. Schliesslich gehören in diese Kategorie einige kleinere börsennotierte Unternehmen wie Marley Spoon, Spark Networks, Still Front oder Funding Circle.

3. Kurz- bis mittelfristig geplante IPOs
Diese Kategorie stellt aktuell einen Gesamtwert von ca. 1,1 Mrd. Euro dar. Es sind hier insbesondere die Namen Traveloka, Jumi und Global Fashion Group (GFG) zu nennen. Wir stellen Ihnen diese Unternehmen in drei Kurzportraits vor:

Traveloka (Bewertung des RI Anteils im Falle eines IPOs: 600 Mio. Euro)
Das im Jahr 2012 gegründete indonesische Unternehmen verkauft Flugtickets und Hotelbuchungen online anbietet, mit dem Schwerpunkt auf Inlandsreisen. Vor kurzem wurde das Angebot um Lifestyle-Produkte und -Dienstleistungen wie Attraktionskarten, Aktivitäten, Autovermietung und Restaurant-Gutscheine erweitert.

Jumia (Bewertung des RI Anteils im Falle eines IPOs: 286 Mio. Euro)
Jumia ist eine 2012 in Nigeria gegründete E-Commerce-Website. Sie ist in 14 afrikanischen Ländern vertreten, darunter Algerien, Marokko, Tunesien, Kenia, Ägypten, Uganda, Kamerun, Senegal, Ghana, Ruanda, Südafrika, Tansania und Côte d'Ivoire. Auf Jumia wird eine Vielzahl von Produktkategorien angeboten, darunter Haushaltsgeräte und Elektronik, Mode, Kinderspielzeug, aber auch Dienstleistungen wie Hotel- und Flugreservierungen und Mahlzeitenlieferung.

Global Fashion Group (Bewertung des RI Anteils im Falle eines IPOs: 225 Mio. Euro)
Die Global Fashion Group (GFG) ist eine Unternehmensgruppe, die E-Kommerz Webseiten für Mode in Schwellenländern betreibt. Über ein Netzwerk von Regionalgesellschaften ist die GFG in 24 Ländern tätig und beschäftigt über 9.000 Mitarbeiter. Die Gruppe hat Geschäftsbeziehungen zu mehr als 3000 internationalen und lokalen Marken aufgebaut und eine integrierte Lieferketteninfrastruktur entwickelt, die die Lieferung in über 300 Städten in der letzten Meile und die Zahlung per Nachnahme umfasst, um den Mangel an vorhandener Infrastruktur und die geringe Kreditkartenpenetration in ihren Märkten zu umgehen.
Im April 2018 erzielte die GFG im Geschäftsjahr 2017 einen Nettoumsatz von über 1 Milliarde Euro.


4. Durch Finanzierungsrunden bewertbare Beteiligungen
Diese Kategorie stellt aktuell einen Gesamtwert von ca. 100 Mio. Euro dar. Dieser Betrag setzt sich aus vier Unternehmensbeteiligungen zusammen. Die Unternehmen sind Away Travel, Trusted Shops, Funding Circle und Canva.

5. Diverse Start Ups
Wenn es für diese Kategorie auch keine Methodologie, Vergleichswerte oder andere Zahlen gibt, wäre doch absurd keine Bewertung darauf anzusetzen. RI ist an zwischen 100 und 200 weiteren Start-Ups als Teilinvestor oder alleiniger Inhaber beteiligt. Rein statistisch werden aus diesem Portfolio diverse Champions hervorgehen, so dass wir eine (konservative) Bewertung von 500 Mio. Euro ansetzen.

Um einen Eindruck des Potentials mancher dieser Geschäftsmodelle zu geben, stellen wir Ihnen zwei Unternehmen kurz vor:

Expertlead:
Expertlead ist eine Plattform, die es Unternehmen wesentlich einfacher machen soll, Zugang zu qualifizierten Software Entwicklern zu erhalten. Das Unternehmen wurde 2018 mit Hilfe einer Finanzierung von RI gegründet, um ein exklusives Netzwerk der besten 5% aller Freelancer aufzubauen. Die Geschäftsidee beruht auf der Feststellung, dass Unternehmen sehr grosse Schwierigkeiten haben, qualifizierte Arbeitskräfte im Techbereich zu finden.
Das Unternehmen nutzt sein technologisches Wissen, um die besten Talente zu identifizieren und anschließend zu testen: So kann man den Kunden garantieren, die besten Entwickler auf dem Markt anbieten zu können. Die Kontrollen, die Expertlead bei den Freelancern durchführt, bestehen sowohl aus Erfahrungs- und Persönlichkeitstests, als auch aus Codierungstests.

Instafreight
Eine weitere stark fragmentierte Branche ist die Speditionsindustrie. In Europa gibt es heute rund 770.000 Speditionen mit durchschnittlich fünf Lkw, d.h. die Industrie ist immer noch sehr fragmentiert. Dazu kommt, dass 30% - 40% der Ladekapazität ungenutzt bleibt. Instafreights Geschäftsmodell funktioniert daher folgt: Mit einer selbst entwickelten Technologieplattform aggregiert es Tausende von Spediteuren und ermöglicht es so Kunden, freie Transportkapazität zu buchen. Das Unternehmen hat bereits 6 000 Spediteure in seiner Datenbank und mehrere Grosskunden wie Amazon, Henkel oder Danone.


Um es kurz zusammenzufassen, bei RI bekommt man aktuell einen deutlichen Nachlass auf einen Anteil an einem sehr erfolgversprechenden Portfolio an Unternehmensbeteiligungen, die von einem hochmotivierten Team um die Samwer Brüder nach vorne getrieben werden. Diese haben in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass sie Unternehmen „gross“ machen können. Die Interessen zwischen den Managern und den Aktionären sind klar gleichgerichtet, denn die Gründer sind weiterhin selbst die mit Abstand größten Anteilseigner.