Basel (awp) - Der Pharmakonzern Roche erzielt im zukunftsträchtigen Bereich der Krebsimmuntherapien einen Zwischenerfolg. Die US-Gesundheitsbehörde FDA erteilt dem Mittel Atezolizumab, das unter dem Markennamen "Tecentriq" vertrieben werden soll, die vorläufige Zulassung für einen bestimmten Typ des Blasenkarzinoms. Die Erwartungen der Analysten über den Spitzenumsatz gehen weit auseinander.

Der Basler Pharmakonzern feiert den Erhalt der US-Genehmigung als grossen Erfolg. Es handle sich um die erste US-Zulassung für ein Medikament gegen diesen bestimmten Typ von Krebs seit über 30 Jahren. Und es handle sich um das einzige von der FDA zugelassene Anti-PD-L1-Krebsimmuntherapeutikum, heisst es in einer Mitteilung des Unternehmens.

Die Marktzulassung gilt für die Therapie von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem urothelialen Karzinom (mUC), deren Krankheitsbild sich während oder nach platinhaltiger Chemotherapie vor oder nach einem klinischen Eingriff weiter verschlechtert. Das urotheliale Karzinom macht gemäss den Angaben 90% aller Fälle von Blasenkrebs aus, der als neunthäufigste Krebsart gilt.

"Tecentriq ist ein neues Arzneimittel, das dem körpereigenen Immunsystem helfen kann, einen Blasenkrebs, der nach einer Platin-Chemotherapie weiter fortgeschritten ist, zu erkennen und zu bekämpfen", lässt sich Sandra Horning, Leiterin der globalen Produktentwicklung, in der Mitteilung zitieren. Die Immun-Onkologie steht für viele Experten für eine neue Ära in der Krebstherapie.

VORLÄUFIGE UND BEDINGTE ZULASSUNG

Die Zulassung der FDA ist allerdings noch nicht definitiv, sondern gilt laut der Mitteilung nur vorläufig. Dies sei für Medikamente möglich, die "vermutlich einen hohen medizinischen Bedarf bei einer schwerwiegenden Erkrankung" befriedigten. Eine Voraussetzung seien erste Nachweise auf einen medizinischen Nutzen.

Diesen erbrachte Roche mit der Phase-II-Studie IMvigor 210. Dabei kam es bei den 310 behandelten Patienten zu einer Ansprechrate von 14,8%, wobei diese bei den Behandlungen mit höherer Dosierung besser war als bei jener mit niedriger Dosierung. Das Medikament wird derzeit auch in einer Phase-III-Studie getestet (IMvigor 211).

ANALYST RELATIVIERT

Von Analysten wird der Erfolg zum Teil relativiert: "Endlich" habe Roche "mit einer Verzögerung von fast zwei Jahren" die Zulassung für ein Mittel in der Immun-Onkologie erhalten, schreibt ZKB-Analyst Michael Nawrath. Die Konkurrenz - Bristol Myers und Merck - habe jedoch schon früher für andere Anwendungen Bewilligungen erhalten. Dass Roche auf die PD-L1- statt auf die PD-1-Technologie setzt, sieht der Experte ebenfalls nicht als Vorteil. Beide Antikörperarten wirkten gleich gut. Und zu guter Letzt bezeichnet er die Studienergebnisse, die der Bewilligung zugrunde liegen, als "nicht berauschend".

Andere Analysten sind optimistischer. So bezeichnet es Stefan Schneider von Vontobel als "positive Überraschung", dass die Bewilligung schon jetzt und nicht erst im September eingetroffen sei. Er rechnet mit der Markteinführung in den nächsten ein bis zwei Wochen. Dies vergrössere den Vorsprung von Roche im Bereich des Blasenkrebs auf den Bristol-Myers-Konzern, der sein Mittel Opdivo vermutlich erst 2017 lancieren könne. "Time to market" sei wegen der vermutlich vergleichbaren Wirksamkeit ein entscheidender Erfolgsfaktor.

GROSSE BANDBREITE BEI SPITZENUMSATZ

Auch die Experten von Baader Helvea und Morgan Stanley schreiben von einer "front runner"-Position in dieser Indikation. Sie schätzen den Spitzenumsatz auf 1,5 Mrd CHF. Vontobel (0,4 Mrd) und ZKB (0,8 Mrd) sind diesbeüglich deutlich zurückhaltender.

Roche-CEO Severin Schwan wollte sich bei der Publikation der Erstquartalszahlen nicht zum Umsatzpotenzial äussern. "Alle Kandidaten haben ein signifikantes Potenzial", lautete seine Prognose damals bloss.

Das Mittel Atezolizumab hat im April von der US-Gesundheitsbehörde FDA für eine zweite Indikation den sogenannten Status "Priority Review" erhalten, und zwar für fortgeschrittenen oder metastasierenden nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC).

AKTIE IM MINUS

Am Vorabend und am Berichtstag vermeldete Roche ausserdem eine Verlängerung der Zusammenarbeit mit dem spanischen Unternehmen Oryzon Genomics für den Produktkandidaten ORY-1001 (Leukämie), gute Studienergebnisse mit Alecensa (Lungenkrebs) in Japan sowie eine erweiterte Zulassung für das Leukämie-Mittel Gazyvaro in der Schweiz.

An der Börse stützen die Informationen den Kurs der Roche-Papiere nicht. Sie notieren zur Mittagszeit mit -0,7% sogar schlechter als der Gesamtmarkt (SMI: -0,4%).

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