STUTTGART (dpa-AFX) - Die Konzentration in der Krankenhauslandschaft Baden-Württembergs wird sich nach Einschätzung der AOK beschleunigen. Die Zahl von derzeit 250 Kliniken werde in den kommenden Jahren auf unter 200 sinken - und das sei gut so, sagte Landeschef Christopher Hermann der Deutschen Presse-Agentur. In den vergangenen zehn Jahren waren zwei bis drei Häuser jährlich geschlossen worden. "Der Strukturwandel muss schneller vorangehen, denn er sichert hochwertige Leistungen im stationären Bereich", forderte der Chef der größten gesetzlichen Krankenkasse im Südwesten.

In größeren Einheiten könnten speziell geschulte Mediziner und Pfleger komplexe Eingriffe vornehmen und durch hohe Fallzahlen Routine und damit Qualität erlangen. Die Mehrzahl der Krankenhäuser im Südwesten habe aber keine 200 Betten. Isoliert seien sie nicht überlebensfähig, sondern nur im Verbund mit anderen Häusern. Kleine Häuser hätten auch zunehmend Schwierigkeiten, Fachpersonal zu rekrutieren. Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) will an diesem Dienstag das Jahreskrankenhausbauprogramm 2017 vorstellen. Sein Ziel sind bessere Versorgungsstrukturen.

Auch bei den Betten sieht der AOK-Chef noch Überkapazitäten. Stationäre Aufenthalte würden kürzer oder erledigten sich ganz mit den Fortschritten in der ambulanten Behandlung. Auch die Alterung der Gesellschaft führe nicht zu mehr Bettenbedarf, sondern zu mehr Nachfrage nach Plätzen in der Reha und geriatrischen Reha. Diese gewinne an Bedeutung, weil die Akutbehandlung immer kürzer werde. Die Krankenhausgesellschaft verwies darauf, dass Baden-Württemberg mit 520 Betten je 100 000 Einwohner die niedrigste Bettendichte im Bundesgebiet habe. Es sei fraglich, ob vor diesem Hintergrund ein weiterer Abbau möglich sei.

Die Konzentration hat laut AOK-CHef Hermann auch für die Patienten Vorteile: "Für die Menschen ist es allemal besser, sie haben das beste Krankenhaus und nicht das erstbeste." Die Menschen informierten sich im Fall planbarer Eingriffe ohnehin im Internet, wählten die passende Klinik und nähmen dafür auch längere Anfahrten in Kauf.

"Wald-und-Wiesen-Krankenhäuser", wie es sie in Baden-Württemberg noch gebe, hätten in diesem Wettbewerb keine Zukunft, sagte Hermann - auch wenn er nachvollziehen könne, dass Kommunen kleine Häuser aus wirtschaftlichen Gründen halten wollten. Wichtig sei die Versorgungssicherheit; diese könne aber durch den Rettungsdienst, medizinische Versorgungszentren und Portalkliniken - Tageskliniken für Erstdiagnosen - gewährleistet werden.

Für den Landeschef der Krankenhausgesellschaft, Detlef Piepenburg, liegt die Zukunft der baden-württembergischen Krankenhauslandschaft weder in der vollkommenen Zentralisierung aller Leistungen an wenigen Standorten, noch im Erhalt jedes einzelnen Krankenhaustandortes. Was zähle, sei ein ausgeglichenes Versorgungsangebot sowohl in Ballungsräumen als auch in der Fläche. Dies sei etwa mit dem neuen Schlaganfallkonzept gerade umgesetzt worden. "Hier ist eine gestufte Versorgung vorgesehen, in der sowohl zentrale als auch dezentrale Standorte vorgesehen sind", erläuterte er.

Bei Sanierung und Modernisierung der meist in den 1950er- und 1960er-Jahren gebauten Kliniken sieht Kassen-Chef Hermann einen riesigen Investitionsstau. Die Lücke bezifferte er auf eine Milliarde Euro. "Zwar haben die grün-geführten Landesregierungen die Mittel für Klinikbau hochgesetzt, damit die jahrzehntelange Unterfinanzierung aber nicht kompensieren können."

Für Investitionen gab das Land vergangenes Jahr 455 Millionen Euro aus. Darüber hinaus ruft Baden-Württemberg die vom Bund für Krankenhausumbauten und Klinikneubauten einmalig zur Verfügung gestellten Mittel aus dem Krankenhausstrukturfonds komplett ab. Zu diesen 63,7 Millionen Euro stellt das Land noch einmal dieselbe Summe für die Strukturveränderungen in den Kliniken bereit. Diese Eigenmittel bedeuten zwar gegenüber dem Vorjahr keine Erhöhung, aber im Vergleich zum Durchschnitt der letzten Jahre, wie die Krankenhausgesellschaft erläuterte.

Nach Berechnung der Krankenhausgesellschaft ist zum Abbau des Investitionsstaus ein fünfjähriges Sonderinvestitionsprogramm mit einem Gesamtvolumen von 750 Millionen Euro erforderlich. Piepenburg sagte: "Die Krankenhäuser sind das Schwarzer-Peter-Spiel leid, in dem Bund und Länder die Verantwortung für die mangelnde Krankenhausfinanzierung zwischen sich hin und her schieben." Dafür seien sowohl die Länder als auch der Bund sowie die Krankenkassen in der Pflicht.

Im Land gebe es bereits erfolgreiche Konzentrationsanstrengungen, erläuterte Hermann. "Der "Lörracher Weg" ist ein gutes Beispiel dafür, wie Krankenhausträger übergreifend eine Schwerpunktbildung vereinbart und umgesetzt haben." In der südbadischen Stadt findet seit Ende der 1990er-Jahre ein Umstrukturierungsprozess statt, der in ein Zentralklinikum münden soll. Dabei werden die drei Standorte der Kreiskliniken in Lörrach, Schopfheim und Rheinfelden sowie das St.-Elisabethen-Krankenhaus in einem Neubau zusammengeführt./jug/DP/fbr

Unternehmen im Artikel: Rhoen Klinikum AG, Fresenius SE & Co KGaA