STUTTGART (dpa-AFX) - Auf der Suche nach einem Impfstoff oder einer wirksamen Therapie gegen die neuartige Lungenkrankheit Covid-19 liefern sich Pharmaunternehmen weltweit einen Wettlauf. Laut einer Untersuchung der Beratungsgesellschaft EY hat die Branche innerhalb kürzester Zeit bis Anfang Juni 161 Impfstoff-Kandidaten sowie 242 therapeutische Test-Wirkstoffe hervorgebracht. Darüber hinaus wurden weltweit mehr als 700 Corona-Tests entwickelt oder bereits auf den Markt gebracht, wie EY am Montag in Stuttgart mitteilte. Diese Zahlen änderten sich fast täglich. Nach Einschätzung der Studienautoren hat aber nur ein Bruchteil der Produktkandidaten tatsächlich eine Chance, auf den Markt zu kommen.

97 Prozent der derzeit erprobten Impfstoffe dürften nicht das Licht der Welt erblicken, sagte Biotech- und Transaktionsexperte Alexander Nuyken von EY. "Unter den Therapeutika bleiben am Ende drei bis vier Präparate übrig, die angewendet werden." Bei der Suche werde deshalb viel Geld vergeblich investiert, denn es gebe "keine Garantie für einen sicheren und wirksamen Impf- beziehungsweise Wirkstoff".

Dem Sieger in diesem Wettrennen winken nach Einschätzung vieler Branchenkenner indes Milliardengewinne. Dies sieht auch Biotech- und Transaktionsexperte Nuyken ähnlich: Für ein Unternehmen, das am Ende einen Impfstoff habe, würde dies zum "Gamechanger", also zur bahnbrechenden Änderung der Spielregeln, betonte er.

An den langfristigen Forschungsplänen der großen Konzerne abseits von Corona dürfte sich laut dem EY-Experten Siegfried Bialojan derweil nichts ändern, wenngleich derzeit die Themen Infektionen und Antibiotika-Resistenzen stärker in den Fokus rückten.

Allerdings wirke sich die Pandemie bereits auf das Übernahme- und Fusionsgeschehen in der Branche aus, erklärte Nuyken weiter. Viele Deals würden ausgesetzt, denn im Moment herrsche auf Seiten von Käufern und Verkäufern zu viel Unsicherheit und dadurch auch Uneinigkeit über den Preis. "Die Konzerne warten derzeit eher ab, wie es nach der Sommerpause aussieht."

Auch vor Corona hatte die Pharmabranche im Jahr 2019 laut EY die Forschungsanstrengungen intensiviert. Im Vergleich zu den ohnehin forschungsstarken Biotechunternehmen habe "Big Pharma" unter hohem Innovationsdruck gestanden. Dabei habe der Entwicklungsschwerpunkt wie schon in der Vergangenheit auf den als besonders lukrativ geltenden Krebstherapien gelegen. So steigerten 16 der untersuchten 21 Konzerne ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung. In Summe stiegen die Ausgaben um 14,2 Prozent, nach einem Minus von 1,9 Prozent im Vorjahr.

Warum viele Unternehmen in die Krebsforschung investieren, zeigt auch ein Blick auf die Geschäftsentwicklung 2019: Die größten Umsätze erzielte "Big Pharma" in der Onkologie - das Wachstum lag bei einem Fünftel. Insgesamt wuchs der Umsatz der Branche im vergangenen Jahr auch dank der Einführung neuer Wirkstoffe prozentual knapp zweistellig.

Im Ranking der 21 untersuchten Konzerne verdrängte der Schweizer Pharmakonzern Roche gemessen am Umsatz im Jahr 2019 die langjährige Nummer eins Pfizer von der Spitze. Die US-Amerikaner kamen auf den zweiten Platz, gefolgt von Johnson & Johnson auf Platz drei. Die deutschen Hersteller fanden sich wie in den Vorjahren auf hinteren Plätzen wieder: Bayer landeten an 15. Stelle und Boehringer Ingelheim auf Platz 17. Schlusslicht war erneut der Darmstädter Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck KGaA./tav/mis/stk