HAMBURG/BERLIN (dpa-AFX) - Wenn Stadtviertel angesagt und teuer werden, plagt so manch alteingesessenen Mieter eine Sorge: Ein Investor kauft das Haus, nach einer Luxussanierung steigt die Miete und am Ende bleibt nur der Auszug. Im Kampf gegen Gentrifizierung ziehen Städte wie Berlin, München und Hamburg immer öfter eine Karte: Sie erlassen für ein beliebtes Gebiet eine sogenannte Soziale Erhaltungsverordnung - auch Erhaltungssatzung oder Milieuschutz genannt - und nutzen dann ihr Vorkaufsrecht, falls ein Kaufinteressent sich nicht an die von ihnen erlassenen Regeln hält. Doch das Instrument ist umstritten.

"Erhaltungssatzungen dürfen nicht dazu führen, dass sich ein Quartier gar nicht mehr entwickeln kann", sagt der Sprecher des Eigentümerverbandes Haus & Grund, Alexander Wiech. Die Auflagen, was an den Wohnungen verändert werden dürfe, seien mancherorts zu strikt. Der Erlass von Erhaltungssatzungen ist nach Angaben des Deutschen Städtetags mit erheblichem Aufwand verbunden und erfordert sorgfältige Vorprüfungen. "In solchen Gebieten sind bauliche Veränderungen am Bestand genehmigungspflichtig", erklärt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.

Der Deutsche Mieterbund kritisiert, dass beliebte Städte in Deutschland noch zu zögerlich die Möglichkeit nutzten, eine Soziale Erhaltungsverordnung einzusetzen. Es sei ein gutes Druckmittel in Verhandlungen mit Spekulanten - um am Ende doch eine Abwendungsvereinbarung treffen zu können, sagt Geschäftsführer Ulrich Ropertz. So brauche es erst gar nicht soweit zu kommen, dass das Vorkaufsrecht genutzt werde. Denn das sei kein "Allheilmittel", weil es eine beträchtliche Summe binde. "Da stellt sich für die Stadt natürlich auch immer die Abwägungsfrage", betont er.

Berlin und München etwa nutzen diese Möglichkeit nach Angaben des Mieterbundes inzwischen sehr umfangreich. In der Hauptstadt gibt es knapp 60 Milieuschutzgebiete. Einige existieren zwar bereits seit Mitte der 90er Jahre - doch die Tendenz war zuletzt deutlich steigend. Der seit Ende 2016 amtierende rot-rot-grüne Senat ermutigt die Bezirke, solche Gebiete offensiv zu benennen. Besonders aktiv beim Vorkaufsrecht ist Friedrichshain-Kreuzberg.

München hat 23 solcher Gebiete mit 279 000 Bewohnern. Im vergangenen Sommer verschärfte die Stadt die Regelungen. Ihr Vorkaufsrecht übte die Stadt 2018 sehr viel häufiger aus als in den Vorjahren. In Frankfurt am Main gibt es inzwischen rund 15 Milieuschutzzonen - aber nur in drei Fällen wurde ein Haus laut Angaben des städtischen Liegenschaftsamtes vom Januar tatsächlich gekauft. Dafür habe die Stadt rund sieben Millionen Euro gezahlt.

"Derzeit nutzen die meisten Städte die Möglichkeit des Vorkaufsrechts nur begrenzt", erklärt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. "In einigen Fällen wird das Vorkaufsrecht aber über das notwendige Maß hinaus angewandt."

Am Montag hatte der Hamburger Senat vier neue Fälle veröffentlicht, bei denen er das Vorkaufsrecht ausübte, um Mieter vor Verdrängung aus Altbauten in angesagten Szene-Vierteln zu schützen. Es geht um Grundstücke mit Häusern in der Sternschanze - nahe des berühmten linksautonomen Zentrums "Rote Flora". Hinzu kommt ein Grundstück mit einem Altbau in Ottensen. Nach Angaben der Hansestadt war der Einsatz des Vorkaufsrechts "letztes Mittel" und soll Ausnahme bleiben. Kritik kommt von der FDP-Bürgerschaftsfraktion: "Der rot-grüne Wohnraum-Sozialismus in Hamburg schreitet voran", moniert der Abgeordnete Jens P. Meyer.

Im November hatte Hamburg diese Möglichkeit zum ersten Mal auf St. Pauli genutzt. Nach Ansicht der Linken kam das sehr spät. Es sei erstaunlich, dass der SPD-geführte Senat das nun gefeierte Vorkaufsrecht erst jetzt ausgeübt habe, meinte kurz darauf in einer Bürgerschaftsdebatte die Abgeordnete Heike Sudmann von der Hamburger Fraktion Die Linke. Es glaube doch kein Mensch, dass es in den vergangenen Jahren keine Spekulanten und Miethaie gegeben habe.

Hamburg hat elf Gebiete, für die die Soziale Erhaltungsverordnung greift. Bei jedem Gebäudeverkauf wird dort untersucht, ob durch spekulative Absichten des neuen Eigentümers die Ziele der Verordnung gefährdet werden.

Auf diese Art will die Stadt beispielsweise verhindern, dass die bisherigen Bewohner wegziehen müssen, weil ihre Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. "Rot-Grün schreckt mit solchen Maßnahmen genau diejenigen ab, die ihr Geld in den Bau von Immobilien investieren wollen", moniert die FDP. Die Behörden betonen, bei den vier aktuellen Fällen seien intensive Verhandlungen mit den zwei Investoren gescheitert. "Wenn es geboten ist, schreiten wir konsequent ein", sagt Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD)./let/DP/stw