BOULOGNE-BILLANCOURT/YOKOHAMA (awp international) - Renault -Chef Carlos Ghosn feilt offenbar endgültig am Autoweltkonzern: Der französische Autobauer und sein langjähriger Partner Nissan sollen laut Kreisen nun zu einem Unternehmen verschmolzen werden. Der 64-jährige Ghosn, der vor Kurzem erst eine Vertragsverlängerung als Renault-Vorstandschef bis 2022 erhielt, treibe das Vorhaben in Gesprächen voran, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Donnerstag unter Berufung auf eingeweihte Personen. Entstehen soll ein neues Schwergewicht unter den Massenherstellern. Haken könnte es am Staatseinfluss: Die französische Regierung hat bei Renault ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.

Ghosn hat bei beiden Unternehmen das Sagen. Berichte über ein mögliches komplettes Zusammengehen gibt es schon länger, Ghosn hatte die Möglichkeit auch nicht ausgeschlossen. Im Februar hatte er gesagt, dass er Pläne ausarbeiten wolle, die Allianz der Unternehmen "unumkehrbar" zu machen.

Anfang des Monats erst hatte es in Berichten der Nachrichtenagentur Reuters geheissen, Ghosn arbeite daran, die französische Regierung bei Renault herauszukaufen - was von den Beteiligten als Spekulation abgetan wurde. Auch zu den neuen Informationen wollten Renault und das französische Finanzministerium keine Stellung nehmen.

Renault und Nissan sind seit 1999 verbunden und arbeiten bei Technik und Einkauf eng zusammen. Renault hat derzeit einen Anteil von gut 43 Prozent an Nissan, Nissan besitzt 15 Prozent an Renault. Bei Renault sitzt aber auch der französische Staat mit einem Anteil von 15 Prozent mit im Boot - was für Ghosn nicht immer konfliktfrei verlief. So fiel zum Beispiel die Managervergütung in seinem neuen Vertrag nach Reibereien ums Gehalt deutlich geringer aus als zuvor.

Zusammen sind die beiden Konzerne an der Börse mehr als 60 Milliarden Euro wert. Die Aktien von Renault kletterten in Paris nach Handelsbeginn zeitweise um mehr als 8 Prozent auf den höchsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt, zuletzt lagen sie noch knapp 5 Prozent im Plus. In Tokio war die Börse bereits geschlossen.

Ghosn dürfte mit dem Vorhaben auch den weltgrössten Autobauer Volkswagen im Visier haben. Zusammen mit dem von Nissan weitgehend kontrollierten Hersteller Mitsubishi sieht der Konzernlenker die Allianz ohnehin schon als grössten Autobauer der Welt - wenn schwere Nutzfahrzeuge und Lkw wie etwa die von MAN und Scania bei VW herausgerechnet werden. Im vergangenen Jahr hatte der Pakt aus Renault, Nissan und Mitsubishi rund 10,6 Millionen Fahrzeuge verkauft, Volkswagen insgesamt 10,7 Millionen.

Technisch soll die Fusion dem Bericht zufolge so ablaufen, dass Nissan den Renault-Aktionären Aktien des neuen Konzerns gibt und die Anteilseigner der Japaner ebenfalls Aktien dieser Firma erhalten. Denkbar wäre, Konzernzentralen in Frankreich und Japan zu behalten.

Ein Deal könne sich allerdings als sehr schwierig herausstellen, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen Bloomberg. Neben dem als unsicher geltenden Placet der französischen Regierung müssten auch japanische Behörden ihre Zustimmung geben. Es bliebe auch die Frage des rechtlichen Sitzes. Neben Frankreich und Japan sind den Informationen zufolge auch Grossbritannien und die Niederlande in der Diskussion. Letztgenannte Orte sind aus steuerlicher Sicht interessant; ein solches Konstrukt hatte der italienisch-amerikanische Autokonzern Fiat Chrysler gewählt.

Ob der Schritt zu einer Fusion gemacht werde, sei ungewiss, hiess es zusammenfassend. Ohnehin laufen die Gespräche offenbar bereits seit Monaten. Renault und Nissan beschäftigen zusammen mehr als 250 000 Mitarbeiter weltweit./men/nas