Der Automanager habe jahrelang im Geschäftsbericht sein Einkommen nicht vollständig angegeben, erklärten die Strafverfolger in Tokio am Montag. Ghosn, der formell noch Chef des Nissan-Großaktionärs Renault ist, sitzt seit dem 19. November unter anderem wegen Untreueverdachts in Untersuchungshaft. Zunächst ging es um die Geschäftsberichte von 2010 bis 2015, in denen gesetzeswidrig nur die Hälfte der insgesamt geflossenen 77 Millionen Euro Vergütung angegeben worden sein soll. Die U-Haft soll jetzt verlängert werden, weil Ghosn auch von 2015 bis 2018 nicht seine tatsächlichen Bezüge offen gelegt haben soll.

Ghosn hat bislang über seine Anwälte keine Stellungnahme abgegeben. Japanische Medien berichteten jedoch, er habe die Vorwürfe zurückgewiesen. Der bekannte Automanager könnte bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre ins Gefängnis gehen.

NISSAN-CHEF IM BLICK

Nissan machte allein Ghosn und den mitangeklagten Manager Greg Kelly für die Verstöße verantwortlich. Doch die Staatsanwaltschaft will auch die mangelnde Kontrolle bei Nissan ahnden. Die Wertpapieraufsicht teilte mit, eine Geldstrafe von umgerechnet gut 5,4 Millionen Euro wäre möglich. Nissan erklärte, es sei zutiefst bedauerlich, dass die Integrität seiner Berichterstattung für die Börse beschädigt sei. Die Angaben in den Geschäftsberichten sollten korrigiert werden. Nach Einschätzung von Rechtsexperten könnte auch Nissan-Chef Hiroto Saikawa zur Verantwortung gezogen werden. "Saikawas Rolle ist hier kaum zu vernachlässigen, das wird jetzt der Hauptblickpunkt", sagte Rechtsanwalt Nobuo Gohara, ein bekannter ehemaliger Strafverfolger.

Das Verfahren wurde durch interne Ermittlungen von Nissan ausgelöst. Ghosn wird auch vorgeworfen, Firmengelder für private Zwecke ausgegeben zu haben. Der mit Renault verbundene japanische Autobauer setzte den 64-Jährigen daraufhin ab. Auch Mitsubishi entzog ihm das Amt des Verwaltungsratsvorsitzenden. Renault wollte Ghosn nicht entlassen, solange die Finanzverfehlungen nicht erwiesen seien. Nissan will mittlerweile per Gericht verhindern, dass Ghosn seine Dienstwohnung in Rio de Janeiro künftig wieder betreten kann. Es sei zu befürchten, dass er dann Beweise vernichten würde.

Die Staatsanwaltschaft wies Kritik zurück, Ghosn werde im Gefängnis schlecht behandelt. Die Beschuldigten seien bei den Verhören nicht unter Druck gesetzt worden. Es sei zudem nichts bekannt über Gesundheitsprobleme der Angeklagten, erklärte Staatsanwalt Shin Kukimoto. Insider hatten gesagt, der 64-jährige Ghosn sitze in einer kalten, kleinen Zelle, und er dürfe kaum einmal duschen oder sich rasieren.

Der in Brasilien geborene Franzose mit libanesischen Wurzeln ist einer der weltweit einflussreichsten Automanager. Er gilt als Architekt der Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi, die den weltgrößten Autoherstellern Volkswagen und Toyota den Rang ablaufen will. Allerdings gab es schon länger Spannungen zwischen Renault und Nissan, weil die Franzosen die größere Kapitalbeteiligung an dem japanischen Autobauer halten, dieser aber größer ist. Das Bündnis könnte nach Befürchtung vieler zerbrechen, wenn Ghosn nicht mehr die Fäden in der Hand hält. So wie zuvor die französische Regierung äußerte sich auch Japans Regierungschef Shinzo Abe besorgt. Es sei für die japanisch-französische Wirtschaftszusammenarbeit wichtig, dass das Firmenbündnis stabil bleibe. Die Regeln zu guter Unternehmensführung müssten aber reformiert werden.