UNTERFÖHRING (dpa-AFX) - Der italienische Medienkonzern Mediaset überrascht mit seinem Einstieg bei ProSiebenSat.1. Fast zehn Prozent der Anteile hat sich die von Pier Silvio Berlusconi geleitete Firma an dem deutschen Sender gesichert. Er ist der Sohn des Mediaset-Gründers und ehemaligen italienischen Premierministers Silvio Berlusconi. Daneben bewegte eine weitere Nachricht aus dem Mediensektor den Kurs von ProSiebenSat.1. Was bei dem Unternehmen los ist, was die Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI PROSIEBENSAT.1:

Die italienische Mediaset steigt beim Münchner Sender mit Sitz in Unterföhring ein. In der Vergangenheit war darüber mehrfach spekuliert worden, doch ProSiebenSat.1 hatte solche Gerüchte stets zurückgewiesen. Immer wieder betonte der Sender, dass man mit dem von Italiens Ex-Ministerpräsident gegründeten Unternehmen schon in der Europäischen Medien-Allianz, der European Media Alliance, zusammenarbeite. Mehr sei nicht geplant. Auf die Nachricht, dass die Italiener 9,6 Prozent der ProSiebenSat.1-Anteile gekauft haben, reagierten Anleger beider Firmen mit Aktienkäufen.

Nach dem großen Schock mit Gewinnwarnung und Dividendenkürzung Ende 2018 konzentriert sich ProSiebenSat.1-Chef Max Conze darauf zu liefern, was er versprochen hat. So soll die neue Streaming-Plattform Joyn, ehemals 7TV, noch im Juni starten. Vor allem in eigene Programminhalte hatte der Sender zuletzt viel Geld gesteckt. Conze will den Konzern damit unabhängiger von den beschränkten Ausstrahlungsrechten für eingekaufte Filme und Serien machen. Selbst erstellte Produktionen kann er nämlich auf all seine Ausspielungskanäle heben.

Mit lokalen und eigenen Inhalten will der deutsche Sender der US-Konkurrenz um Netflix und Amazon Prime entgegentreten. Das wird nicht einfach, denn die US-Riesen geben eine Menge Geld dafür aus. Der Luxemburger Rivale RTL hat Ähnliches wie die Münchner für seine eigene neue Plattform TV Now versprochen. Ob hier wirklich Vielfalt das Geschäft belebt, oder ob sich Zuschauer längerfristig eher für eine bis zwei Optionen entscheiden, muss sich noch zeigen - zumal Premiumzugänge mit mehr Programmauswahl den Kunden extra Geld kosten.

Mit der Nucom-Gruppe hat sich der ProSiebenSat.1 einen Geschäftsbereich jenseits von rückläufigen TV-Werbeerlösen aufgebaut. Die dazugehörigen Online-Portale wie die Partnervermittlung Parship und das Vergleichsportal Verivox liefern wachsende Umsätze. Der beteiligte US-Finanzinvestor General Atlantic, der rund 28 Prozent an Nucom hält, brachte Anfang 2019 das Portal Aroundhome mit ein, das Produkte und Dienstleistungen rund um Haus und Garten anbietet.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Der Einstieg von Mediaset kam wohl auch für einige Analysten unerwartet. Deutsche-Bank-Experte Laurie Davison bezeichnete den Anteilskauf der Italiener als Überraschung. Das ProSiebenSat.1-Management sei bislang nicht von einer Konsolidierung in Europa ausgegangen, schrieb er. Er rät nun weiterhin dazu, die Aktie des Konzerns zu halten.

Analyst Daniel Kerven von der US-Investmentbank JPMorgan rechnet unterdessen damit, dass die Italiener ihre Anteile sogar noch aufstocken. Mediaset verfolge das Ziel, unterbewertete, frei empfangbare Fernsehsender zu kaufen und dann Kosteneinsparungen zu realisieren. Zusammen verfügten Mediaset und ProSiebenSat.1 über ein Viertel der Werbe-Reichweite im Videobereich in Deutschland, Österreich, Spanien, Italien und der Schweiz - ein Bereich, der in den kommenden Jahren stärker von Daten getrieben und wertvoller werde.

Die Analysten der US-Bank Goldman Sachs stehen möglichen Vorteilen aus dem Einstieg von Mediaset aber skeptisch gegenüber. Es gebe nur begrenzte Synergien, da etwa TV-Werbung auf nationaler Basis verkauft werde. Auch Programminhalte seinen meist lokal ausgerichtet. Die Experten sehen den Aktienkurs absehbar bei 15,60 Euro.

Andere Analysten trauen der ProSiebenSat.1-Aktie eine erhebliche Kurssteigerung zu. Besonders optimistisch ist JPMorgan und stellt eine Verdopplung in Aussicht. Die Privatbank Berenberg rechnet ein Plus zum aktuellen Kurs von mehr als 60 Prozent aus. Analystin Sarah Simon hält das E-Commerce-Geschäft für unterschätzt. Damit rechtfertigt sie ihr im Vergleich recht hohes Kursziel von 24 Euro.

Das Analysehaus Independent Research ist vorsichtiger. Rückläufige TV-Werbeerlöse hätten auch im ersten Quartal belastet, schrieb Analyst Markus Friebel. Er geht von einem Kursziel von 16,30 Euro aus, während die im dpa-AFX-Analyser gelisteten Experten den Kurs auf zwölf Monate im Schnitt bei 18,90 Euro sehen. Dabei raten sieben von 19 Analysten zum Kauf der Aktie, neun zum Halten, und nur drei Häuser raten zum Verkauf.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Zwei Nachrichten haben die Aktie des im MDax notierten Konzerns zuletzt deutlich bewegt: zum einen der Mediaset-Einstieg, der den Kurs beflügelte, und zum anderen der mögliche Börsenabgang von Axel Springer als Folge eines Einstiegs des Finanzinvestors KKR. Die Aussicht auf den KRR-Deal wirkte zunächst positiv auf Papiere im Mediensektor. Bei ProSiebenSat.1 hielt das aber nicht lange.

Die Beteiligung von Mediaset sorgte derweil in der Spitze für Kursgewinne von über acht Prozent. ProSiebenSat.1 kommt derzeit auf einen Börsenwert von rund 3,3 Milliarden Euro, bei Mediaset sind es rund 3,0 Milliarden Euro.

Seit dem Mehrjahrestief bei 12,61 Euro Ende März hat sich die ProSiebenSat.1-Aktie zuletzt wieder etwas erholt. Insgesamt bleibt die Lage jedoch trüb. Von ihrem Rekordhoch bei fast 51 Euro Ende 2015 sind die Papiere weit entfernt. Zuletzt schwankte die Aktie zwischen 14 und 15 Euro./elm/eas/stw/fba