Zürich (awp) - Der Lebensmittelkonzern Nestlé publiziert am Donnerstag, 19. April die Umsatzzahlen zum ersten Quartal 2018. Zum AWP-Konsens haben insgesamt neun Analysten beigetragen.

(in Mrd Fr)                  AWP-Konsens       Q1 2017  

Umsatz                           21,3            21,0    

(in %)
Organisches Wachstum              2,5             2,3    
Mengenwachstum (RIG)              1,9             1,3    

FOKUS: Da bei den ungeraden Quartalen keine Gewinnzahlen bekannt gegeben werden, liegt der Fokus ganz klar auf den Umsatzzahlen. Dabei steht das organische Wachstum (OG), das sich aus dem Mengenwachstum (RIG) sowie den Preisveränderungen zusammensetzt, im Fokus. Weniger von Interesse sind die Umsatzzahlen in Franken, die vor allem auch von Wechselkursverschiebungen bzw. Akquisitionen und Devestitionen beeinflusst werden.

Der OG-Wert im vergangenen Jahr 2017 (2,4%) war bekanntlich der schwächste im laufenden Jahrhundert, ebenso wie der Wert für das vierte Quartal mit 1,9%. Gemäss dem von AWP berechneten Analysten-Konsensus gehen die professionellen Beobachter von einer (leichten) Erholung nun zu Jahresbeginn 2018 aus, wobei die Erholung kaum von der Preisseite, sondern vor allem von der Mengenseite (RIG) kommen dürfte. Dies sagte auch CEO Mark Schneider bei der Bilanzmedienkonferenz Mitte Februar so, wobei er allerdings "Preiserhöhungen in selektiven Märkten" ankündigte.

Nestlé sollte gemäss Analysten eigentlich vom späteren chinesischen Neujahr und den früheren Ostern profitieren. Schneider hat aber im Februar "gewarnt", dass das erste Quartal 2018 einen Fakturatag weniger habe als die Vergleichsperiode 2017. Die ZKB erwähnt in diesem Zusammenhang, dass es eine solche Begründung bisher nie gegeben habe bei Nestlé (im Vergleich etwa zu Unilever). Wichtig werde aber vor allem sein, dass Nestlé 2018 wieder besser Tritt fassen könne bei den Wachstumskategorien (Kaffee, Tierfutter, Nutrition und Wasser).

Gemäss einen Kommentar der Bank Vontobel sollten die aktuell (schwachen) OG-Zahlen allerdings nicht überbewertet werden. Nestlé habe in den letzten Monaten diverse Massnahmen zur Verbesserung von Wachstum und Profitabilität getroffen. Und auch der jüngste Wechsel im Verwaltungsrat (3 neue VR, u.a. Zara-Chef) sollte weitere Impulse bringen. Der Newsflow sei jedenfalls beständig und dürfte weiter gehen, glaubt der Analyst.

Im Fokus - wenn auch nicht als Hauptthema - dürfte sicher auch der Streit sein um Rabatte und Einkaufskonditionen zwischen Nestlé und der Einkaufsgenossenschaft Agecore, zu der u.a. Coop oder die deutsche Edeka gehören. Zusammen wickeln die Mitglieder des Einkaufsclubs rund zwei Milliarden Euro Umsatz mit Nestlé ab. Zuletzt gab es Spekulationen über eine bevorstehende Einigung (mit Konzessionen von Nestlé), die allerdings bisher nicht bestätigt wurden. "Falls dies zutreffen sollte, wäre dies negativ für Nestlé und die gesamte Nahrungsmittelindustrie zu werten", meinte die ZKB in einem Kommentar. Es würde sich nämlich um einen Beweis dafür handeln, dass Detailhändler trotz der wieder besser laufenden Konjunktur Nahrungsmittelproduzenten erfolgreich unter Druck setzen können.

ZIELE: Nestlé hat anlässlich seines Investorentages im letzten September etwas überraschend erstmals ein Margenziel gesetzt und damit das sogenannte Nestlé-Modell, das viele Jahre gegolten hatte, abgelöst. Neu will Nestlé bis 2020 eine bereinigte EBIT-Marge von 17,5-18,5% erreichen. Gegenüber dem Wert 2016 (16,0%) entspricht das einer Verbesserung um 150-250 Basispunkte. Um dies zu erreichen sollen die strukturellen Kosten von rund 18 Mrd CHF bis 2020 um 2-2,5 Mrd gesenkt werden, dies mittels Senkung der Produktions- (0,6-0,8 Mrd), Beschaffungs- (0,5-0,6 Mrd) und Verwaltungskosten (0,9-1,1 Mrd). Insgesamt fallen dafür laut Nestlé Restrukturierungskosten in der Grössenordnung von 2,5 Mrd CHF an. Beim Umsatz will Nestlé bis 2020 ein mittleres einstelliges Wachstum erreichen.

Für das laufende Jahr 2018 rechnet das Nestlé-Management gemäss Angaben von Mitte Februar mit einem organischen Umsatz-Wachstum zwischen 2% und 4% sowie einer Verbesserung der zugrunde liegenden operativen Ergebnismarge. Diese Guidance dürfte laut Analysten zusammen mit den Q1-Zahlen bestätigt werden.

PRO MEMORIA:

M&A: Nestlé strebt bekanntlich eine Optimierung seines Portfolios an. Laut CEO Schneider könnten davon rund 10% des gesamten Umsatzes betroffen sein, wobei es sowohl zu Veräusserungen als auch zu Zukäufen kommen könnte. Grundsätzlich sollen Übernahmen zu den Zielkategorien (Wasser, Kaffee, Tierfutter, Babynahrung) und -regionen passen, attraktive Renditen erzielen und "auf der Führungsposition des Unternehmens in schnell wachsenden Nahrungs- und Getränkekategorien aufbauen", hiess es beim letzten Investorentag. CEO Schneider betonte zuletzt bei einem Interview mit der "NZZ" allerdings auch: "Das organische Wachstum bleibt der wichtigste langfristige Wachstumstreiber."

Nestlé war in Bezug auf Käufe und Verkäufe aber zuletzt relativ aktiv. Mitte Januar etwa wurde der seit längerer Zeit erwartete Verkauf des US-Süsswarengeschäftes bekannt. Der Bereich mit rund 900 Mio USD Umsatz (2016) wurde für 2,8 Mrd USD in bar an die italienische Ferrero-Gruppe verkauft, wobei der Abschluss der Transaktion noch aussteht. Davor erwarb Nestlé Anfang Dezember die kanadische Atrium Innovations für 2,3 Mrd USD. Daneben kam es in den letzten Wochen auch zu diversen kleineren Käufen oder Verkäufen. Zuletzt etwa wurde ein Mehrheitsanteil an der südamerikanischen Terrafertil übernommen, ausserdem wurde das Wassergeschäft in Brasilien verkauft. Veräussert werden soll auch das Lebensversicherungsgeschäft Gerber Life, wie der Konzern Mitte Februar bekannt gab.

L'ORÉAL: Seit längerer Zeit wird über das 23%-Paket von Nestlé am französischen Kosmetikkonzern spekuliert. Im vergangenen Monat lief ein Abkommen mit der französischen Familie Bettencourt aus bzw. wurde von Nestlé nicht verlängert. Dieses sah vor, dass sowohl der Schweizer Konzern als auch die Familie ihren Anteil bis zu sechs Monate nach dem Tod der L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt - sie ist im letzten September gestorben - nicht erhöhen können. Nestlé betonte im Februar, dass man nicht beabsichtige, den Anteil zu erhöhen. Da aber Nestlé gemäss Abkommen frei war bzw. ist, den Anteil zu verkaufen, und einige Investoren das auch lautstark immer wieder fordern, hätte man sich in Investorenkreisen eher mehr Klarheit gewünscht, ob das Paket bald veräussert wird oder nicht. Solche Hoffnungen erfüllte Nestlé mit eher zweideutigen Angaben damals nicht.

AKTIENRÜCKKAUF: Nestlé hat im letzten Sommer ein grösseres Aktienrückkauf-Programm bekannt gegeben. Bis Ende Juni 2020 will das Unternehmen demnach eigene Aktien im Wert von 20 Mrd CHF zurückkaufen. Ursprünglich wollte Nestlé den Fokus des Rückkaufs auf der zweiten Periodenhälfte legen; anlässlich des Investoren-Tages hiess es dann aber, dass der Rückkauf gleichmässig über die drei Jahre verteilt werden soll. Aktuell (per 10.4.) sind knapp 68,5 Mio Aktien zu einem Gesamtwert von 5,6 Mrd CHF zurückgekauft.

AKTIENKURS: Die Nestlé-Aktie gehört im bisherigen Jahresverlauf zu den schwächeren Blue Chips. Aktuell (Dienstag 12 Uhr) notiert das Papier mit 74,72 CHF fast 11% tiefer als Ende 2017 (SMI -6,7). Gegenüber dem 52-Jahreshoch vom 6. Dezember bei 86,40 CHF sind es über 13%.

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