HAMBURG/PLANEGG/MARTINSRIED (dpa-AFX) - Biotech-Aktien sind nach einer Dürrezeit wieder gefragt. Nicht nur in den USA, wo die Branche ohnehin viel Aufmerksamkeit unter Investoren genießt, sondern auch in Deutschland. Denn das Geschäft der TecDax-Firmen Evotec, Medigene und Morphosys kommt zunehmend in Fahrt. Die Aktien der drei sind derzeit beliebt. Es ist dabei vor allem die Hoffnung auf Kassenschlager in der Zukunft, auf die Anleger setzen.

Die wichtigsten Punkte für die Unternehmen, was die Experten sagen und wie es für die Aktien läuft:

DAS IST LOS BEI DEN BIOTECHUNTERNEHMEN:

Das Hamburger Unternehmen Evotec hat sich einen Namen als verlässlicher Auftragsforscher gemacht. Dabei gelingt es den Hanseaten, ihren Kundenstamm zu vergrößern und zunehmend gewichtige Partner aus der Pharmaindustrie für strategische Allianzen zu gewinnen. Die bringen nicht nur Reputation, sondern auch teils millionenschwere Meilensteinzahlungen für Evotec mit sich. Als kluger Schachzug dürfte sich die Übernahme des US-Auftragsforschers Aptuit erweisen, der Evotecs Forschungsspektrum erweitert. Erst gerade hat das TecDax-Unternehmen eine frische Zusammenarbeit mit dem dänischen Insulinhersteller Novo Nordisk bekanntgegeben, bei der Aptuits Wirkstoffforschungsplattform zum Einsatz kommt.

Auch Morphosys forscht für große Pharmakonzerne wie Bayer oder Novartis. Anders als als Konkurrent Evotec, der in den vergangenen drei Jahren profitabel gearbeitet hat und stetig mehr Gewinn auswies, prangt bei den Bayern noch ein tiefroter Fehlbetrag. Ein erstes Medikament gegen Schuppenflechte, das mit Morphosys' Hilfe entstand, ist inzwischen zugelassen und die Tantiemen fließen. Zudem hat das Unternehmen selbst mehrere erfolgversprechende Wirkstoffkandidaten in petto, mit denen es seine Metamorphose vom Auftragsforscher hin zum Entwickler eigener Arzneien einleiten will. Aktuell größter Hoffnungsträger ist das Krebsmittel MOR 208, dem die US-Medikamentenaufsicht FDA eine beschleunigte Zulassung in Aussicht gestellt hat. Für die Vermarktung dieses dann ersten eigenen Mittels steht Morphosys bereits in den Startlöchern.

Die kleine Firma Medigene als Dritte im Bunde hat hingegen einen radikalen Umbau hinter sich und setzt derzeit alles auf eine Karte: Das Unternehmen arbeitet an einer neuartigen Krebstherapie, bei der Helferzellen als Kampftruppe des Immunsystems die Hauptrolle spielen. Auf diesem Gebiet mischen bislang nur wenige Unternehmen mit, doch hat in der Branche bereits das Übernahmefieber eingesetzt. Auch Medigene galt bereits als Kaufkandidat. Das Schicksal des Verluste schreibenden Unternehmens dürfte wohl auch daran hängen, welche Fortschritte es in einer im Frühjahr angelaufenen Machbarkeitsstudie zu der neuen Therapie macht.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Die Evotec-Aktie, obwohl Liebling der TecDax-Aktionäre, stand zuletzt nur bei wenigen Analysten im Fokus. Bei einem durchschnittlichen Kursziel von 19 Euro zeigen sich derzeit die Experten von Oddo BHF am optimistischsten. Sie trauen dem Papier inzwischen 22 Euro zu und haben es mit Blick auf die Kursentwicklung auf eine Liste mit überzeugenden Werten gesetzt. Deutsche-Bank-Experte Falko Friedrichs traut der gemeinschaftlichen Produktpipeline mit anderen Unternehmen inzwischen noch mehr zu.

Die überwiegende Zahl der Analysten bleibt unterdessen bei Morphosys in Lauerstellung und hat die Aktie auf "Halten" gesetzt. Im Schnitt sehen die Experten das Kursziel der Aktie bei knapp 94 Euro. Richtig viel Salz in der Suppe findet HSBC-Expertin Julie Mead, die ihr Kursziel jüngst auf 56 Euro senkte: Sie geht unter anderem davon aus, dass der Hoffnungsträger MOR 208 nicht so schnell kommen dürfte wie gedacht, die Vorbereitungen für die Vermarktung des Mittels hält sie daher für verfrüht.

Medigenes zur jüngsten Quartalsbilanz verbesserten Ziele kamen bei Analysten gut an - wenngleich vor allem Sondereffekte wie die erweiterte Bluebird-Kooperation ausschlaggebend waren. Independent-Analyst Bernhard Weiniger sieht die Aktie aktuell gestützt durch die Übernahmespekulationen, rechnet aber weiterhin mit einer starken Schwankungsanfälligkeit. Er votiert deshalb unverändert dafür, das Papier zu halten. Sein Kursziel hat er auf 15,50 Euro herunter gesetzt.

DAS MACHEN DIE AKTIEN:

Der starke Lauf der Evotec- und Morphosys-Aktien macht die beiden Unternehmen nach Meinung von Experten zu Kandidaten für den bald verbreiterten Mittelwerteindex MDax. Gehandelt werden an der Börse aktuell vor allem die Aussichten der Unternehmen. Evotec-Papiere hatten nach zwei prallen Jahren zwar eine monatelange Durststrecke, seit Mai dieses Jahres geht es aber wieder kontinuierlich nach oben. Bis zum im April 2017 erreichten Rekordhoch bei 22,50 Euro ist der Kurs inzwischen weniger als 2 Euro entfernt. Dabei kam Evotec von ganz weit unten: Noch Ende 2014 kostete die Aktie gerade einmal rund 2,50 Euro.

Im TecDax gehört Evotec im bisherigen Jahr zu den größten Gewinnern, gefolgt mit etwas Abstand von Morphosys. Steil verläuft die Kurve auch für den Aktienkurs der Bayern. Zuletzt erntete die Aktie wegen des erhofften Produktstarts von MOR 208 reichlich Vorschusslorbeeren. Vom Tief Mitte 2016 bis zum Rekordhoch Ende Juli bei 124,90 Euro hat sich der Kurs fast vervierfacht. Zuletzt kam die Aktie aber wieder etwas zurück.

Medigenes Aktienkurs gleicht einer Achterbahn - die allerdings nach jedem mehrmonatigen Rücksetzer noch ein wenig höher fährt als zuvor. In Erwartung der wichtigen Krebsstudie war das Papier im Februar bei 19,42 Euro auf den höchsten Stand seiner Geschichte geklettert, war dann aber wieder zurückgefallen. Aktuell befindet sich das Papier wieder in einer Aufschwungphase und kostete zuletzt 15 Euro./tav/nas/she