(Aktualisierung: Übersetzung aktualisiert)

TEHERAN/WASHINGTON (dpa-AFX) - Nach einem iranischen Vergeltungsangriff auf die US-Truppen im Irak wächst die Angst vor einem neuen Krieg im Nahen Osten. Viel hängt jetzt von der Reaktion der USA ab. Der Iran schoss in der Nacht zum Mittwoch mehr als ein Dutzend Raketen auf die vom US-Militär genutzten Stützpunkte Ain al-Assad westlich von Bagdad und im nördlich gelegenen Erbil ab. Über Todesopfer wurde zunächst nichts bekannt. Die in Erbil stationierten deutschen Soldaten blieben unversehrt. Sie waren nach Bundeswehr-Angaben von internationalen Partnern gewarnt worden und konnten rechtzeitig Schutzbauten aufsuchen.

Teheran nannte die Angriffe einen "Akt der Selbstverteidigung" nach der Tötung des iranischen Top-Generals Ghassem Soleimani durch einen US-Luftschlag in der vergangenen Woche. Wie die USA reagieren werden, war zunächst unklar.

Verstärkt wurde die Unsicherheit, als wenige Stunden nach den Raketenangriffen auf die Militärbasen aus bislang ungeklärter Ursache ein ukrainisches Passagierflugzeug in der Nähe von Teheran abstürzte. Alle der mehr als 170 Menschen an Bord starben. Mehrere Fluggesellschaften setzten eine Nutzung des iranischen und irakischen Luftraums vorübergehend aus - darunter Lufthansa, KLM und Air France. Die Lufthansa will aber ihre Flüge in die iranische Hauptstadt Teheran aber an diesem Donnerstag wieder aufnehmen. Der Anflug auf die Stadt sei sicher, sagte ein Lufthansa-Sprecher.

Dass der Iran und die USA bewusst auf einen Krieg zusteuern, gilt unter Experten als eher unwahrscheinlich. Denn die iranische Rache kam mit Vorwarnung. Iraks Regierung wurde nach eigenen Angaben kurz vor dem Angriff aus Teheran über den Militärschlag informiert. Iraks Regierungschef Adel Abdel Mahdi sagte, zur selben Zeit hätten sich auch die Amerikaner gemeldet.

Neue Attacken kündigte der Iran nicht an. Der iranische Präsident Hassan Ruhani sagte: "Falls die Amerikaner weitere Angriffe und Verbrechen gegen den Iran planen sollten, werden wir eine Antwort geben, die noch härter ist als der heutige Angriff."

US-Präsident Donald Trump schrieb nach den Raketenangriffen auf Twitter: "Alles ist gut!" Derzeit würden mögliche Opfer und Schäden bewertet, fügte er hinzu. Und: "Wir haben das stärkste und am besten ausgestattete Militär überall auf der Welt, bei weitem!". Zuvor hatte er seine wichtigsten Minister zu einer Krisensitzung im Weißen Haus empfangen.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sah in dem iranischen Angriff eher eine deeskalierende Maßnahme. "Es scheint ja, wie wenn es eine dosierte Antwort des Irans gewesen wäre. Die Amerikaner haben auch nicht direkt zurückgeschlagen", sagte er im Deutschlandfunk. Vielleicht habe der Iran tatsächlich nicht Soldaten treffen, sondern zeigen wollen, "dass sie natürlich imstande sind, amerikanische Basen anzugreifen".

Da einer der iranischen Angriffe einem Ziel im bislang als relativ sicher geltenden Nordirak galt, prüft die Bundesregierung jetzt auch einen Teilrückzug der dort stationierten Bundeswehrsoldaten. "Die Lage bleibt volatil im Irak. Die Bundeswehr ist da extrem wach", sagte ein Sprecherin des Verteidigungsministeriums.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte, im ARD-"Morgenmagazin": "Wir haben mit der internationalen Koalition sowieso vereinbart, dass alle Kräfte, die nicht benötigt werden, keinem unnötigen Risiko ausgesetzt werden." Deshalb seien die deutschen Soldaten am Montag aus dem Militärkomplex Tadschi im Zentralirak abgezogen worden. Nun sei man in der Planung auch für "mögliche Teilrückverlegungen" von Soldaten die aktuell in Erbil stationiert sind.

In dem Kurdengebiet sind mehr als 100 deutsche Soldaten im Einsatz. Sie sind Teil der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). "Nach wie vor ist der Kampf gegen den IS wichtig und essenziell für die Sicherheit vor Ort, aber auch für uns hier in Deutschland", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Henning Otte (CDU).

Auch über mögliche Opfer unter den im Irak stationierten US-Soldaten wurde nichts bekannt. Sie waren einem Medienbericht zufolge vor dem iranischen Raketenangriff gewarnt worden. Dank eines frühzeitigen Alarms hätten diejenigen im Gefahrenbereich Zeit gehabt, sich in Schutzbunkern in Sicherheit zu bringen, berichtete der US-Sender CNN unter Berufung auf einen Angehörigen des US-Militärs.

Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei bezeichnete den Angriff gegen die US-Militärstützpunkte als "Ohrfeige für die Amerikaner". "Die Amerikaner haben in dieser Region nur Krieg und Zerstörung angerichtet", sagte der Ajatollah, der auch oberster Befehlshaber der iranischen Streitkräfte ist. Iran verfolge keine Kriegsabsichten, habe aber auf die Tötung Soleimanis reagieren müssen, so Chamenei.

Auch unter den irakischen Streitkräften gab es nach deren eigenen Angaben bei den iranischen Angriffen keine Toten. Es seien "keine Verluste" verzeichnet worden, meldete die Medieneinheit der irakischen Sicherheitskräfte. Den irakischen Streitkräften zufolge schlugen 17 iranische Raketen im Luftwaffenstützpunkt Ain al-Assad westlich von Bagdad und fünf in Erbil ein. Alle gingen demnach über Standorten der internationalen Anti-IS-Koalition nieder.

"Der Gebrauch von Waffen muss jetzt aufhören, um Raum für Dialog zu schaffen", appellierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch nach einer Sondersitzung der EU-Kommission. Alle seien dazu aufgerufen, Gespräche wieder aufleben zu lassen. "Und davon kann es nicht genug geben." Man habe bewährte Beziehungen zu vielen Akteuren in der Region und darüber hinaus, um zur Deeskalation beizutragen. "Die aktuelle Krise betrifft nicht nur die Region, sondern uns alle."

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) verurteilte die iranischen Raketenangriffe. "Wir fordern Iran auf, alle Schritte zu unterlassen, die zu einer weiteren Eskalation führen könnten." Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Kremlchef Wladimir Putin zeigten sich nach einem Treffen in Istanbul tief besorgt über die Eskalation. Angesichts der iranischen Raketenangriffe warnten sie vor einem "neuen Kreislauf der Instabilität"./abc/win/jku/cn/fmb/cht/DP/stw