BERLIN (dpa-AFX) - Schwenk der Lufthansa beim Reizthema Tegel: Vorstandschef Carsten Spohr will jetzt darüber diskutieren, ob der innenstadtnahe Berliner Flughafen doch länger in Betrieb bleiben sollte. Bei einer Veranstaltung begründete er seine geänderte Ansicht mit dem wachsenden Flugverkehr und Zweifeln, ob die Kapazität des künftigen Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld ausreichen wird. Dessen Eröffnung ist für Oktober 2020 geplant ist. Der Flughafen Tegel soll spätestens ein halbes Jahr später schließen.

Spohr sprach am Dienstagabend in Berlin zugleich von "unhaltbaren Zuständen" in Tegel. "Und wir werden weiterhin keine Ruhe geben, bis diese Situation verbessert wird", sagte er nach Angaben der Lufthansa. Dies sei vor allem nötig, da das Wachstum im Luftverkehr weitergehen werde und heute noch nicht beurteilt werden könne, ob und wie der neue BER und die umliegende Infrastruktur dieses Wachstum überhaupt aufnehmen könne.

Deshalb erwarteten "inzwischen unsere Kunden und viele in der Öffentlichkeit zu Recht von allen Beteiligten, dass wir die Frage der Offenhaltung von Tegel mit Blick auf die aktuelle Entwicklung des Luftverkehrs neu bewerten". Spohr hatte sich bislang öffentlich dafür ausgesprochen, den Berliner Luftverkehr auf den einen Standort Schönefeld zu konzentrieren.

Der Berliner FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja bewertete Spohrs Äußerung als Misstrauenserklärung an die Flughafengesellschaft FBB und die Aussichten für den BER. Der Masterplan 2040 der FBB sei damit endgültig durchgefallen. "Wenn Deutschlands größte Airline und eine Million Bürger diesen Zweifel äußern, muss der Senat sofort seinen Anti-Tegel-Kurs ändern", fügte er mit Blick auf den Berliner Volksentscheid aus dem Jahr 2017 hinzu.

Damals hatten rund 995 000 Wähler für den Weiterbetrieb Tegels gestimmt, das entsprach 56,4 Prozent. Die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg hielten jedoch an den Plänen fest, die der geltenden Rechtslage entsprechen. Demnach soll Tegel schließen, wenn der neue Flughafen in Schönefeld öffnet. Zudem wird der alte Airport dort weiter genutzt, um genügend Platz für Passagiere und Flugzeuge zu haben.

Für den CDU-Flughafenexperten Christian Gräff trifft Spohr mit seiner Kritik "die wunden Punkte am Luftverkehrsstandort Berlin". Das Chaos am Flughafen Tegel sei "jetzt schon ein Standortnachteil, Berlin droht den Anschluss zu verlieren. Beschwerden von Passagieren schädigen dem Ruf unserer Stadt." Der Senat und Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup ließen "leider nicht erkennen, dass sich hier absehbar Verbesserungen einstellen"./brd/DP/he