GUILDFORD/MÜNCHEN (awp international) - Der fusionierte Industriegase-Konzern Linde will nach einem deutlichen Gewinnanstieg 2019 noch eine Schippe drauflegen. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn je Aktie soll 2020 auf 8,00 bis 8,25 US-Dollar zulegen, wie das im Dax notierte Unternehmen am Donnerstag in Guildford bei London mitteilte. 2019 erwirtschaftete Linde einen bereinigten Gewinn je Aktie von 7,34 Dollar auf vergleichbarer Basis, nach 6,19 Dollar im Vorjahr. Im bereinigten Gewinn sind unter anderem Kosten für den Zusammenschluss nicht enthalten.

Zum Gewinnplus trugen vor allem Synergien aus der Fusion bei. 2019 bis 2022 sollen diese in Summe 1,1 Milliarden Dollar betragen. Die Aktie legte im Nachmittagshandel als Dax-Spitzenreiter um 3,19 Prozent zu.

Der Umsatz verharrte 2019 mit knapp 28,2 Milliarden Dollar auf dem Niveau des Vorjahres. Rechnet man die Währungseffekte heraus, dann sind die Erlöse dank höherer Volumen und Preise um vier Prozent gestiegen. Im fortgeführten Geschäft erhöhte sich der bereinigte Gewinn auf vergleichbarer Basis um gut 16 Prozent auf rund vier Milliarden Dollar.

Die alte Linde AG und Praxair brachten ihre Fusion im Oktober 2018 unter Dach und Fach. Das neue Unternehmen mit 80 000 Mitarbeitern durfte aber erst am 1. März 2019 an die Arbeit gehen. Seit der Fusion von Praxair und Linde kennt der Kurs der Aktie nur eine Richtung: nach oben. An der Börse bringt es Linde auf einen Marktwert von über 110 Milliarden Euro - nur SAP ist im Leitindex Dax mehr wert.

Das neue Unternehmen heisst zwar nach wie vor Linde, doch der ehemalige Praxair-Chef Steve Angel führt den Gasekonzern nach amerikanischem Stil. Die neue Linde schüttet wie in den USA üblich jedes Quartal eine Dividende an ihre Aktionäre aus und bilanziert in US-Dollar. Zudem kaufte das Unternehmen im vergangenen Jahr eigene Aktien im Wert von 2,6 Milliarden Dollar zurück.

Der langjährige Linde-Vorstandschef und spätere Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle, der jetzt Verwaltungsratschef beim neuen Weltmarktführer ist, hatte die Fusion 2018 gegen den heftigen Widerstand der Arbeitnehmer im Linde-Aufsichtsrat durchgeboxt. Die IG Metall sieht ihre Befürchtungen zur Fusion bestätigt.

"Das kurzfristige Shareholder-Denken ist an die Stelle einer nachhaltigen, strategischen Unternehmensplanung getreten", sagte der bayerische IG-Metall-Chef Johann Horn der Deutschen Presse-Agentur. Im Vordergrund stehe die Senkung von Fixkosten, Aufträge würden weltweit im Konzern verschoben. "Die Kolleginnen und Kollegen in Deutschland stehen unter grossem Druck, dass Produkte und Aufträge an den Standorten bleiben."

Linde beschäftigt noch rund 7000 Personen in Deutschland. Horn sagte, allein in Deutschland wolle das Unternehmen bis Ende nächsten Jahres 850 Stellen abbauen. In den Vorjahren seien bereits fast 1000 Stellen gestrichen worden. Damit sei Deutschland vom Stellenabbau besonders betroffen. "Angesichts des neuen Shareholder-Stils müssen wir befürchten, dass das noch nicht das Ende der Abbaupläne ist. Linde droht mittelfristig ein Kahlschlag", sagte der Gewerkschafter./mne/rol/eas/jha/