(Neu: Aufmachung und Aussagen aus der Pressekonferenz)

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Streit im Management belastet die geplante Fusion des Industriegasekonzerns Linde mit dem US-Konkurrenten Praxair . Der Praxair-Finanzchef und designierte Finanzchef des fusionierten Konzerns, Matthew White, soll vor Investoren den Anlagenbau sowie das US-Medizingasegeschäft von Linde zur Disposition gestellt haben. Das habe bei Linde eine "gewisse Aufregung" verursacht, sagte Linde-Vorstandschef Aldo Belloni am Freitag in München. Der Praxair-Chef und künftige Gesamtkonzernchef Steve Angel habe aber "die kategorischen Aussagen von Mister White dementiert. Mister Angel sagte, es sind keine Entscheidungen getroffen worden."

Der Linde-Anlagenbau beschäftigt 7000 Mitarbeiter, die Hälfte davon im Großraum München und in Dresden. Linde und Praxair haben vereinbart, die im Vergleich zum Gasegeschäft renditeschwache Sparte rechtlich selbständig auszugliedern, aber zumindest auf absehbare Zeit im Konzern zu halten.

Angel beabsichtige weiterhin, alle Sparten "zunächst einmal in der Familie zu behalten", sagte Belloni. "Wir sind zuversichtlich, dass der Anlagenbau seine Stellung im Konzern behalten wird." Zwar stehe immer alles auf dem Prüfstand, aber es gebe Absprachen. Linde-Finanzvorstand Sven Schneider werde White demnächst "sehr direkt auf seine Aussagen ansprechen und versuchen, ihm die Chance zu geben, Vertrauen wieder aufzubauen". Angels Dementi "zielt in die Richtung, dass die Sache beigelegt werden kann".

White soll vor Investoren eine tiefere Prüfung des Nicht-Gase-Anlagenbaus angekündigt haben. Es macht laut Schneider gut 80 Prozent der kleineren Linde-Sparte aus. Linde hat den deutschen Arbeitnehmern eine Beschäftigungs- und Standortsicherung bis 2021 beim Zustandekommen der Fusion zugesagt. Betriebsrat, IG Metall und IG Chemie lehnen die Fusion ab, weil sie den Verlust von Arbeitsplätzen und Mitbestimmungsrechten befürchten. Der neue Konzern mit dem Namen Linde plc hätte seinen Sitz in Irland, würde aus den USA heraus von Angel geführt werden und wäre mit 27 Milliarden Euro Umsatz Weltmarktführer.

Für den Zusammenschluss ist aber noch die Zustimmung von mindestens 74 Prozent der Linde-Aktionäre bis zum 21. November sowie die Zustimmung der Kartellbehörden erforderlich. Sonst drohten in den USA höhere Steuern, wodurch "die Fusion doch noch scheitern könnte", sagte Belloni. Bis jetzt wurden 67,9 Prozent der Linde-Aktien zum Umtausch eingereicht. Linde erwarte aber, dass nach dem DAX noch weitere Börsenindizes wie MSCI oder FTSE auf die neue Linde plc-Aktie umstellen und weitere Großinvestoren ihre Anteile umtauschen.

Bei den Kartellbehörden in den USA und China seien die Fusionspläne inzwischen eingereicht, in der EU werde sie gerade vorbereitet, sagte Belloni. Welche Geschäfte Linde und Praxair abgeben wollen, sagte er nicht. Aber "das Interesse von potenziellen Käufern ist extrem hoch".

Das Medizingasegeschäft Lincare in den USA steht aufgrund neuer Gesetze unter großem Preisdruck und hat das Geschäft von Linde auch im dritten Quartal stark belastet. "Bei Lincare müssen noch Hausaufgaben erledigt werden", sagte Belloni. In Europa und Asien dagegen lief es gut. Der Konzernumsatz ging im Zeitraum Juli bis September leicht um 1,3 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro zurück. Bereinigt um Währungseffekte kletterten die Erlöse um 1,8 Prozent. Der Gewinn unter dem Strich sank aufgrund von Umbau- und Fusionskosten um elf Prozent auf 271 Millionen Euro.

Operativ lief es für Linde hingegen etwas besser. Der um Einmaleffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) stieg um 2,9 Prozent auf gut eine Milliarde Euro. Hier profitierte Linde auch von seinem Sparkurs. Bei den Ergebnissen schnitt Linde etwas besser als von Analysten erwartet ab. Die Zahlen sind um die zum Verkauf stehende Logistiktochter Gist mit ihren 5000 Mitarbeitern bereinigt. "Unsere Ziel ist es, Gist vor der Fusion mit Praxair zu verkaufen", sagte Finanzchef Schneider. Gist steht bei Linde schon länger auf der Verkaufsliste und machte in den ersten neun Monaten 2017 einen Umsatz in Höhe von 434 Millionen Euro.

Für das laufende Jahr strebt Linde weiterhin beim währungsbereinigten Umsatz einen Anstieg um drei Prozent an. Allerdings sei das Marktumfeld herausfordernd und die Erlöse könnten deshalb auch bis zu drei Prozent unter dem Vorjahreswert von knapp 17 Milliarden Euro liegen. Beim operativen Gewinn (Ebitda) will die im Dax notierte Gesellschaft mindestens so viel verdienen wie im Vorjahr, peilt aber bis zu sieben Prozent mehr an. 2016 hatte der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen 4,1 Milliarden Euro betragen.

Auch Praxair zeigt sich vor der Fusion mit Linde in guter geschäftlicher Verfassung. Der US-Gasekonzern hatte am Vortag Zahlen vorgelegt und steigerte im dritten Quartal Umsatz und Ergebnis stärker als von Analysten erwartet. Der Nettogewinn stieg von 339 Millionen auf 419 Millionen Dollar. Der Umsatz erhöhte sich um 8 Prozent auf 2,9 Milliarden Dollar. Dabei profitierte der Konzern von steigenden Absatzmengen in allen Regionen. Für das Jahr zeigte sich Praxair optimistischer und erhöhte die Gewinnprognose./rol/mne/she