FRANKFURT (dpa-AFX) - Die seit Wochen vom internationalen Handelsstreit und allgemeinen Konjunktursorgen belasteten Infineon-Aktien sind am Freitag nur kurz zur Ruhe gekommen. Nachdem die Papiere des Chipherstellers noch im frühen Handel mit einem Plus von gut 2 Prozent auf Entspannungssignale aus Washington reagiert hatten, verließ die Anleger schnell wieder der Mut und die Anteilsscheine rutschten leicht ins Minus.

Bis zum späten Vormittag gaben die Infineon-Aktien um 0,22 Prozent auf 16,582 Euro nach, während sich der deutsche Leitindex Dax etwas von seinen Vortagesverlusten erholte. Am Gesamtmarkt wurde positiv gewertet, dass US-Präsident Donald Trump in Aussicht gestellt hatte, den Streit um den Telekomausrüster Huawei in den Handelsgesprächen mit China zu lösen. "Ich kann mir vorstellen, dass Huawei in irgendeine Form eines Handelsabkommens einbezogen wird", sagte Trump. Auf Nachfragen von Reportern allerdings nannte er keine Details, wie ein solcher Deal aussehen könnte.

Diese Kommentare reichten offenbar nicht, um die besorgten Anleger von Infineon zu beruhigen. Ihnen steckt Börsianern zufolge noch der Kursrutsch der Branchenwerte zu Wochenbeginn in den Knochen, den die Furcht vor einem vorübergehenden Verlust des wichtigen Kunden Huawei ausgelöst hatte.

Die US-Regierung hatte Huawei und zahlreiche Tochtergesellschaften vergangene Woche auf eine schwarze Liste von Unternehmen gesetzt, deren Geschäftsbeziehungen zu US-Partnern strengen Kontrollen unterliegen. Den Weg dafür hatte Präsident Donald Trump freigemacht, indem er einen nationalen Notstand in der Telekommunikation ausgerufen hatte.

Huawei wird von den US-Behörden verdächtigt, seine unternehmerische Tätigkeit zur Spionage für China zu nutzen. Bislang wurden dafür öffentlich keine Beweise vorgelegt. Dass die USA die strengen Maßnahmen gegen den chinesischen Netzwerkausrüster und Smartphone-Hersteller in der Nacht zum Dienstag teilweise gelockert hatten, fällt offensichtlich nicht stark ins Gewicht.

Leicht optimistisch äußerte sich Hyun Ho Sohn, Technologie-Fondsmanager beim Vermögensverwalter Fidelity International: "Donald Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping werden sich vermutlich auf ein Abkommen einigen, denn beide Seiten haben durch einen langwierigen Handelskrieg zu viel zu verlieren." China halte jedoch an seinem Ziel fest, langfristig in technologischer Hinsicht autarker zu werden. Dazu solle die Abhängigkeit von ausländischen Komponenten und Dienstleistern verringert werden: "Viele Komponenten wird man im Reich der Mitte relativ leicht selbst produzieren können." Aber beim Aufbau von Halbleiterproduktionsanlagen zum Beispiel sei man nach wie vor auf die Expertise von Ausrüstern aus dem Ausland angewiesen.

Analysten hingegen blieben zuletzt skeptisch. Infineon könne sich vom Konjunkturtrend und den Auswirkungen des Handelsstreits nicht vollkommen abkoppeln, schrieb der Experte Harald Schnitzer von der DZ Bank. Experten zufolge könnte sich die Weltwirtschaft weiter abschwächen, was sich entsprechend negativ auf die Geschäfte der sehr konjunktursensiblen Halbleiterhersteller auswirken dürfte.

Analyst Sandeep Deshpande von der US-Bank JPMorgan kommentierte zwar, dass die Vorgänge in den USA um den chinesischen Smartphone-Produzenten Huawei letztlich wohl keinen größeren Einfluss auf den deutschen Halbleiterhersteller haben, da auf das Geschäft mit den Chinesen nur ein recht geringer Umsatzanteil entfalle. Dennoch scheine es bei den Aufträgen insgesamt für eine Trendwende zum Besseren noch zu früh zu sein.

Beim Blick auf den Chart fällt auf, dass die Infineon-Aktien kaum an der Erholung des Gesamtmarktes Mitte Mai teilgenommen haben, vielmehr setzten sie ihren Kursrutsch nahezu unverändert fort. Seit dem Zwischenhoch am 18. April bei 21,615 Euro haben die Anteilsscheine damit inzwischen rund 23 Prozent eingebüßt. Der Dax hingegen hat in diesem Zeitraum kaum nachgegeben.

Damit sind die bisher bei Infineon aufgelaufenen Jahresgewinne inzwischen wieder ausradiert. Aus charttechnischer Sicht bleibt festzuhalten, dass die Papiere bereits Anfang Mai die 200-Tage-Linie nach unten durchbrochen haben. Sie gilt als Indikator für den längerfristigen Trend. Der Dax hingegen hält sich noch über dieser Linie./la/ag/fba