FRANKFURT (dpa-AFX) - Vier Jahre dümpelte der Goldpreis in einer vergleichsweise engen Handelsspanne und stellte Liebhaber des Edelmetalls vor eine harte Geduldsprobe. Anfang 2019 war es dann soweit: Der Goldpreis begann wieder zu steigen, legte seit Jahresbeginn mehr als 15 Prozent zu und erreichte im September bei 1557 US-Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) den höchsten Stand seit 2013. Das Edelmetall erfreut sich steigender Beliebtheit bei Anlegern und wurde zum Jahreswechsel bei einem Preis von etwa 1520 Dollar gehandelt. Vor allem wegen extrem niedriger Zinsen hat das Edelmetall nach Meinung von Experten Potential für weitere Wertsteigerung.

"Seit Beginn des Jahres 2019 ist der Goldpreis nun eindeutig aus seiner Seitwärtsbewegung ausgebrochen", zeigte sich Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Degussa Goldhandel, überzeugt. Gemeinsam mit anderen Experten sieht er die extrem lockere Geldpolitik führender Notenbanken als stärksten Preistreiber. Zuletzt hatte die höchst umstrittene Wiederbelebung der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) im vergangenen September bei vielen Anlegern die Hoffnung auf eine absehbare Zinswende schlagartig zunichte gemacht.

"Die anhaltende Niedrigzinswelt bleibt ein guter Nährboden für anhaltend hohe Goldpreise", versicherte Dora Borbely, Rohstoffanalystin der Dekabank. Edelmetallhändler Alexander Zumpfe vom Hanauer Handelshaus Heraeus verwies darüber hinaus auf die Unsicherheit wegen der weiteren konjunkturellen Entwicklung, die Sorge über die Folgen des Brexits und die Angst vor Handelskonflikten. "Das Umfeld für Gold bleibt positiv", sagte Zumpfe.

Goldhändler berichten von einer gestiegenen Nachfrage in den vergangenen Monaten. Dies gilt für physisches Gold in Form von Barren oder Münzen und für Gold ETFs, also Wertpapiere, bei denen Gold hinterlegt wird. "Die physische Nachfrage bewegt sich derzeit auf dem höchsten Niveau seit mehreren Jahren", sagte Händler Zumpfe. "Wir rechnen daher weiterhin mit steigenden Kursen - auch über das aktuelle Jahreshoch hinaus."

Als wichtiger Preistreiber gelten auch Zentralbanken, die im großen Stil Gold auf dem freien Markt kaufen. Nach jüngsten Angaben des Branchenverbands World Gold Council (WGC) summierten sich die Nettokäufe der Notenbanken in der Zeit von Januar bis September 2019 auf 547,5 Tonnen. Im Jahresvergleich ist das ein Anstieg um zwölf Prozent. Mit einem höheren Anteil von Goldbeständen an den nationalen Reserven wollen Notenbanken von Schwellenländern ihre Abhängigkeit von der Kursentwicklung des US-Dollar verringern.

Als größter Goldkäufer in diesem Jahr gilt die russische Zentralbank, gefolgt von der Notenbank in China. Nach Angaben des Branchenverbands WGC zählte auch die Zentralbank der Türkei zu den führenden Käufern am Goldmarkt. Die mit Abstand größten Goldreserven der Welt lagern jedoch in den Tresoren der US-Notenbank Fed, gefolgt von den Beständen der Deutschen Bundesbank.

Auch wenn die Gefahr eines ungeregelten Brexits mittlerweile als vorerst gebannt gilt und obwohl sich die USA und China auf ein Abkommen zur Entschärfung des Handelskonflikts einigen konnten, gibt es nach wie vor Risiken für die Finanzmärkte. Für Gabor Vogel, Analyst bei der DZ-Bank, Grund genug, dass "die strukturelle Goldnachfrage hoch bleiben dürfte".

Experte Vogel rechnet bis Ende 2020 mit einem Anstieg des Goldpreises bis 1600 Dollar. Rohstoffanalyst Carsten Fritsch von der Commerzbank erwartet einen etwas geringeren Anstieg auf 1550 Dollar. Experte Polleit von Degussa Goldhandel geht etwas weiter als beide und hält einen Preis "bei ungefähr 1700 Dollar oder höher" für realistisch./jkr/bgf/jha/fba

--- Von Jürgen Krämer, dpa-AFX ---