WIESBADEN (awp international) - Die deutsche Wirtschaft fasst wieder Tritt. Angetrieben vom Bauboom und der Konsumfreude der Verbraucher ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum Jahresauftakt gegenüber dem Vorquartal deutlich um 0,4 Prozent gestiegen, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch anhand vorläufiger Daten mitteilte. Im zweiten Halbjahr 2018 hatte Europas grösste Volkswirtschaft noch einen Schwächeanfall erlitten. Ökonomen und das Bundeswirtschaftsministerium warnten trotz des kräftigen Jahresauftaktes 2019 vor allzu grosser Euphorie. Vor allem die Eskalation von Handelskonflikten trübt das Bild.

Die exportorientierte deutsche Wirtschaft habe mit dem guten Einstieg in das Jahr ihre Schwächephase noch nicht überwunden, erläuterte das Bundeswirtschaftsministerium. "Dies dürfte erst nachhaltig erfolgen, wenn sich das aussenwirtschaftliche Umfeld wieder etwas aufhellt und die Verunsicherung, verursacht insbesondere durch die Handelskonflikte, abnimmt."

Im ersten Vierteljahr stiegen die privaten Konsumausgaben nach Angaben des Statistischen Bundesamts gegenüber dem Vorquartal kräftig. Die Verbraucher sind dank der historisch guten Lage auf dem Arbeitsmarkt weiter in Kauflaune. "Wenn ich weiss, dass mein Arbeitsplatz einigermassen gesichert ist, bin ich auch bereit, grössere Ausgaben vorzunehmen oder mich eventuell sogar zu verschulden", sagte GfK -Konsumexperte Rolf Bürkl jüngst.

Die Unternehmen investierten zum Jahresanfang mehr in Maschinen und andere Ausrüstungen. Die Konsumausgaben des Staates, zu denen unter anderem soziale Sachleistungen und Gehälter der Mitarbeiter zählen, waren hingegen rückläufig. Gemischte Signale kamen den Angaben zufolge vom Aussenhandel.

Nach Einschätzung von Commerzbank -Chefvolkswirt Jörg Krämer markiert das "recht starke Wachstum" noch nicht das Ende des Abschwungs. "Vielmehr wurde es durch die ungewöhnlich milde Witterung begünstigt, die die Bauproduktion deutlich steigen liess. Im zweiten Quartal dürfte die deutsche Wirtschaft deshalb kaum wachsen, vielleicht sogar leicht schrumpfen."

Auch Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank aus Liechtenstein, sieht mit Blick auf das laufende Quartal noch keine nachhaltige Trendwende. "Eine schwache Industrieproduktion bei einem gleichzeitig anhaltenden Auftragsschwund lassen erahnen, dass der ordentliche BIP-Zuwachs nicht mehr als ein Strohfeuer war."

Risiken für die exportorientierte deutsche Wirtschaft kommen nach Einschätzung von Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung vor allem von aussen: "Der weiter drohende Handelskonflikt mit den USA schafft Unsicherheit." Eine Einführung von US-Strafzöllen auf europäische Autos könnte der deutschen Wirtschaft einen empfindlichen Dämpfer verpassen.

Sorgen bereitet zudem der sich zuspitzende Handelskrieg zwischen den USA und China. "In solch einem Umfeld dürften nicht nur die deutschen Exporte, sondern zunehmend eben auch die deutschen Investition leiden", argumentierten Allianz-Ökonomen. Die beiden grössten Volkswirtschaften der Welt sind die wichtigsten Einzelmärkte für Exporte "Made in Germany".

Belastet von Handelsstreitigkeiten und Problemen der Autoindustrie bei der Umstellung auf den Verbrauchs- und Abgasmessstandard WLTP war das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal 2018 geschrumpft. Zum Jahresende stagnierte die Wirtschaftsentwicklung.

Die Bundesregierung und zahlreiche Ökonomen hatten zuletzt ihre Konjunkturprognosen für das laufende Jahr gesenkt. Die Bundesregierung rechnet nur noch mit einem Wachstum von 0,5 Prozent, statt wie zunächst mit 1,0 Prozent. Hauptgrund ist die Abkühlung der Weltwirtschaft. Im vergangenen Jahr war die deutsche Wirtschaft um 1,4 Prozent gewachsen./mar/DP/bgf