LONDON (awp international) - Airbus-Chef Tom Enders hält trotz eines deutlichen Rückstands zur Jahresmitte an seinem Ziel von 800 Flugzeug-Auslieferungen in diesem Jahr fest. "Es wird hart und schwierig, aber es ist zu schaffen", sagte Enders am Freitag in London mit Blick auf die Triebwerkshersteller, deren Verzögerungen dem Konzern schon länger das Leben schwer machen. Mitte Juli beginnt in Farnborough bei London eine der grössten Luftfahrtmessen der Welt.

In den ersten sechs Monaten hat Airbus erst 303 Verkehrsflugzeuge ausgeliefert. Bis zum Jahresziel von 800 Maschinen fehlen noch rund 490 Stück, wie Enders verdeutlichte. Der Rückstand liegt vor allem an den Triebwerksbauern, die für die Antriebe des modernisierten Mittelstreckenjets A320neo und dessen Schwestermodellen verantwortlich zeichnen.

Ende Juni standen vor den Airbus-Hallen 86 praktisch fertige Maschinen der A320neo-Familie, denen nur noch die Triebwerke fehlten, wie der Chef der Verkehrsflugzeugsparte, Guillaume Faury, berichtete. Vor allem bei den Antrieben des Herstellers Pratt & Whitney (P&W), der zum US-Konzern United Technologies gehört, gab es immer wieder technische Probleme.

Käufer haben bei den A320neo-Jets alternativ ein Triebwerk des amerikanisch-französischen Herstellers CFM zur Wahl, eines Gemeinschaftsunternehmens von General Electric und Safran . Auch bei diesem hatte Airbus wiederholt eine fehlende Produktreife bemängelt. Die neuen Triebwerke sind für den Grossteil der Treibstoffeinsparungen verantwortlich, die die A320neo für die Airlines wirtschaftlicher macht als ihr Vorgängermodell A320.

Allerdings leiden die Antriebe unter Kinderkrankheiten. Auch ein von Airbus erhoffter Produktionsausbau auf 70 Mittelstreckenjets pro Monat scheitert bislang an Zulieferern, die ihre Produktion nicht so schnell hochfahren können.

Am 16. Juli beginnt die grosse Luftfahrtmesse in Farnborough vor den Toren Londons. Dort präsentieren Flugzeugbauer wie Airbus, Boeing Bombardier und Embraer sowie Zulieferer ihre Produktpaletten und ringen miteinander um Aufträge der Kunden. Zu den Interessenten zählen auch Regierungen, da der Rüstungsbereich in Farnborough stark vertreten ist.

Unterdessen verschärfte Enders seine Kritik an der Brexit-Politik Grossbritanniens. Das Kabinett von Premierministerin Theresa May habe "keine Ahnung und keine Einigkeit, wie sie den Brexit ohne ernsthaften Schaden umsetzen kann", sagte er. Für den Konzern mit vielen Standorten in Grossbritannien sei dies eine unangenehme Lage.

Der Hersteller versucht sich derzeit auf den schlimmsten Fall vorzubereiten. "Das Worst-Case-Szenario, der harte Brexit ohne Vereinbarung, würde bedeuten, dass wir keine Teile über die Grenze bekommen", ergänzte Faury. Der Konzern hat seinen Hauptsitz im französischen Toulouse und beschäftigt in Grossbritannien 14 000 Mitarbeiter an 25 Standorten. In den britischen Werken Filton und Broughton werden alle Flügel der Airbus-Verkehrsjets entworfen und hergestellt. An der britischen Zuliefererkette hängen rund 110 000 Jobs.

Um für den Fall eines ungeregelten Brexit mit langwierigen Grenzkontrollen nach Ende März 2019 gerüstet zu sein, will Airbus seine Lager aufstocken. Das wird laut Faury aber schwierig. "Unsere Zulieferer müssen ab jetzt 35 Prozent mehr produzieren als normal, damit wir Teile für drei Monate Produktion bekommen." Dabei seien die Firmen schon an den Grenzen ihrer Möglichkeiten.

Um die Nachfrage nach neuen Flugzeugen macht sich Airbus für die kommenden 20 Jahre hingegen keine Sorgen. In den Jahren 2018 bis 2037 würden weltweit voraussichtlich 37 390 neue Passagier- und Frachtmaschinen benötigt. Das sind rund 2500 Maschinen mehr, als 2017 für die folgenden zwei Jahrzehnte vorausgesagt, erklärte der neue Airbus-Verkaufschef Eric Schulz. Bei den Passagierjets bezieht sich Airbus auf Typen mit mindestens 100 Sitzplätzen.

Der Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr kommt vor allem von den Mittelstreckenjets wie dem Airbus A320neo und der Boeing 737-MAX sowie mittelgrossen Langstreckenjets mit zwei Triebwerken wie dem Airbus A350 und Boeings 787 "Dreamliner". Vor allem durch sie dürfte sich die weltweite Flugzeugflotte in den nächsten zwei Jahrzehnten auf über 48 000 Maschinen mehr als verdoppeln. Bei den grössten Typen wie dem Airbus A380 und Boeings Jumbo-Jet 747-8 schätzt Schulz die Nachfrage auf 1590 neue Maschinen, rechnet dabei aber nun auch die neue Langversion der A350 ein./stw/men/jha/