BRÜSSEL (dpa-AFX) - Auf das seit Jahren umstrittene Pipelineprojekt Nord Stream 2 kommen neue EU-Vorschriften zu, für die Leitung könnten jedoch Ausnahmen gewährt werden. Das ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen EU-Mitgliedstaaten und Europaparlament, den die Abgeordneten am Donnerstag in Brüssel mit großer Mehrheit formell absegneten. Nun steht noch die letztendliche Billigung der Mitgliedsländer aus, die als Formalie gilt.

Nord Stream 2 soll künftig jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland nach Deutschland transportieren. Kritiker monieren, Europa mache sich noch abhängiger von russischem Erdgas und werfen Deutschland einen Alleingang vor. Etliche EU-Länder und die USA lehnen das Projekt ab. Trotzdem wurde etwa ein Drittel der Leitung bereits verlegt, sie soll bis zum Jahresende fertig sein.

Mit der neuen Richtlinie gelten künftig erstmals EU-Energieregeln auch für Pipelines, die aus Drittstaaten in die Europäische Union führen. Demnach darf die Produktion von Erdgas und der Betrieb der Leitung nicht in einer Hand liegen - anders als bisher beim russischen Staatskonzern Gazprom und seiner Pipeline Nord Stream 2. Ein Betreiber muss Konkurrenten die Nutzung der Leitung gegen Gebühr erlauben.

Für neue Projekte wie Nord Stream 2 sollen aber Ausnahmen von den jetzt beschlossenen Regeln möglich sein, wie das EU-Parlament mitteilte. Darüber soll unter strengen Auflagen die EU-Kommission entscheiden dürfen. Bevor Sonderregeln gewährt werden, soll die Kommission mit anderen EU-Staaten beraten.

Der Berichterstatter zur Gas-Richtlinie im EU-Parlament, der polnische Christdemokrat Jerzy Buzek, erklärte: "Von jetzt an unterliegen alle Gas-Pipelines aus Nicht-EU-Staaten, einschließlich Nord Stream 2, EU-Regeln." Das werde sich in verbesserter Energiesicherheit niederschlagen.

Auch die Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms zeigte sich erfreut. Die Entflechtung von Produktion und Betrieb werde die Macht von Gazprom begrenzen. "Das Projekt Nord Stream 2 wird dadurch erschwert und möglicherweise verzögert, verhindert wird es damit nicht." Bedenken äußerte die SPD-Abgeordnete Martina Werner: Die neuen Regeln könnten die Kosten für die Pipeline hochtreiben. Es müsse sichergestellt werden, dass sich das nicht in höheren Gaspreisen für Verbraucher niederschlage./vio/DP/fba