(Neu: Aussagen aus Telefonkonferenz zu weiteren Sparmöglichkeiten und Analystenkommentar und Kursentwicklung)

ESSEN (dpa-AFX) - Die Autoflaute und niedrigere Ölpreise hinterlassen beim Spezialchemiekonzern Evonik ihre Spuren. Um das Jahresgewinnziel trotz eines nun erwarteten leichten Umsatzrückgangs zu erreichen, drückt Konzernchef Christian Kullmann stärker auf die Kostenbremse. "Kostensenkungen retten den Tag", schrieb denn auch Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research am Dienstag in einer ersten Reaktion. Die Anleger sahen es offenbar ebenso: Die Aktien knüpften als MDax-Spitzenreiter an ihre jüngste Erholung an.

"Wir haben uns frühzeitig mit erhöhter Kostendisziplin und zusätzlichen Einsparmaßnahmen für das schwächere gesamtwirtschaftliche Umfeld gerüstet", sagte Konzernchef Kullmann laut Mitteilung. So soll die ursprünglich bis Ende 2021 geplante Senkung der Vertriebs- und Verwaltungskosten um jährlich 200 Millionen Euro nun schon bis Ende 2020 erreicht werden. Daher peilt Kullmann hier 2019 insgesamt 70 Millionen Euro an und damit 20 Millionen Euro mehr als bisher. Weitere 20 Millionen Euro sollen im zweiten Halbjahr durch zusätzliche Maßnahmen, wie Zurückhaltung bei Einstellungen oder Reisen gespart werden.

Von den 40 Millionen zusätzlichen Einsparungen soll der Großteil im Schlussquartal realisiert werden. Rückenwind verspricht sich das Management in den letzten drei Monaten des Jahres aber auch von nachlassenden Produktionsproblemen in der Sparte Performance Materials rund um Zwischenprodukte etwa für die Agrar- und die Kunststoffindustrie. Auch Lizenzerlöse durch zwei Projekte im Geschäft mit Wasserstoffperoxid-Anwendungen sollen helfen.

In den letzten drei Monaten soll ein operatives Ergebnis von rund 500 Millionen Euro erzielt werden, was etwas mehr wäre als vor einem Jahr. Damals litten viele Chemieunternehmen unter dem niedrigen Rheinpegel, der den Transport von Rohstoffen und Produkten behinderte.

Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll daher im Gesamtjahr im Vergleich zu den 2018 erzielten 2,15 Milliarden Euro stabil bleiben, wie der MDax-Konzern mitteilte. Allerdings lastet eine schwächere Nachfrage auf dem Umsatz, der nun leicht sinken dürfte, nach 13,3 Milliarden Euro 2018. Ursprünglich hatte Evonik mit stabilen Erlösen gerechnet. Beim für die Dividende wichtigen freien Mittelzufluss (Free Cashflow) soll mit rund 700 Millionen Euro deutlich mehr hängen bleiben als vor einem Jahr.

Zur Geschäftsentwicklung insgesamt im kommenden Jahr wollte sich das Management zum aktuellen Zeitpunkt aufgrund der konjunkturellen Unsicherheiten nicht detailliert äußern. Insgesamt zeigten sich Kullmann und Finanzchefin Ute Wolf während einer Telefonkonferenz mit Analysten aber zuversichtlich. Sollte es zu einem stärkeren Konjunkturrückschlag kommen, ist Evonik laut Finanzchefin Wolf vorbereitet. Für diesen Fall lägen bereits weitere Maßnahmen für Einsparungen in der Schublade.

Die Bestätigung des Gewinnziels dürfte bei den Anlegern gut ankommen, da viele schon mit einer Gewinnwarnung gerechnet hätten, erklärte Analyst Sebastian Satz von der britischen Bank Barclays.

Für die Evonik-Aktien ging es denn auch an der Spitze des Index der mittelgroßen Wert MDax am Vormittag auf bis zu 25,70 Euro nach oben, zuletzt war es noch ein Plus von 4,53 Prozent auf 25,37 Euro. Damit machten die Papiere die Kursdelle vom August nahezu wett. Damals hatten Anleger enttäuscht auf die Halbjahreszahlen reagiert. Dies sowie hochgekochte Konjunktursorgen hatten den Kurs bis Mitte August auf ein Rekordtief von knapp 21 Euro gedrückt. Die Erholung seither summiert sich mittlerweile auf mehr als ein Fünftel.

Im abgelaufenen dritten Quartal fiel der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3 Prozent auf 3,23 Milliarden Euro und das bereinigte Ebitda sank um 6 Prozent auf 543 Millionen Euro. Während der Umsatz etwas unter der vom Unternehmen zur Verfügung gestellten durchschnittlichen Analystenschätzung lag, blieb beim operativen Ergebnis etwas mehr hängen als erwartet.

Unter dem Strich verdiente der Konzern im dritten Quartal mit rund 1,5 Milliarden Euro ein Vielfaches des Vorjahrs, was allerdings am Verkauf des Methacrylatgeschäfts lag. Das bereinigte Ergebnis fiel um mehr als ein Drittel auf 195 Millionen Euro.

Deutliche Einbußen bei Umsatz und operativem Gewinn musste die Sparte Performance Materials verkraften, die Zwischenprodukte für die Kunststoff- und Agrarindustrie produziert. Neben einer schwächeren Nachfrage machten Evonik hier Anlagenstillstände wegen Wartungsarbeiten sowie Engpässe bei der Rohstoffversorgung zu schaffen. Zumindest die Produktionseinschränkungen sollen nun bis Mitte November Geschichte sein.

Weiter fallende Preise unter anderem für das Tierfuttereiweiß Methionin drückten derweil auf den Gewinn im Geschäftsbereich Nutrition & Care. Das lag aber weniger an der Nachfrage, die gut blieb, sondern am großen Angebot auf dem Weltmarkt. So stellte auch Evonik erst vor wenigen Monaten eine neue Methionin-Anlage in Singapur fertig.

Die Sparte Resource Efficiency bekam zwar die weltweit schwächelnde Autobranche in Form einer geringeren Nachfrage nach Zusätzen etwa für Lacke zu spüren, was aber durch gute Geschäfte mit Hochleistungskunststoffen dank der wachsenden Bedeutung des 3D-Drucks weitgehend kompensiert werden konnte. Insgesamt fielen Umsatz und operatives Ergebnis in der Sparte daher nur leicht.

Das Segment Resource Efficiency will Evonik-Chef Kullmann weiterhin trotz des Widerstands der US-Handelsaufsicht FTC mit der Übernahme des US-Herstellers von Wasserstoffperoxid Peroxychem stärken. Evonik hält die im Sommer eingereichte Klage der FTC gegen den Kauf weiter für unbegründet und rechnet nun mit einem Abschluss der Akquisition im Jahr 2020./mis/men/nas