ESSEN (awp international) - Evonik kommt beim Umbau hin zur profitableren Spezialchemie voran. Im vergangenen Jahr stieg der Gewinn deutlich. Wegen der anhaltenden politischen Unsicherheiten und eines schwächeren Wirtschaftswachstums gehen die Essener zwar vorsichtig ins neue Jahr - das hatten Analysten aber bereits erwartet. "2019 wird sicher kein einfaches Jahr, aber wir stellen uns diesen Herausforderungen", sagte Konzernchef Christian Kullmann.

Der MDax-Konzern rechnet für 2019 mit einem leicht sinkenden bis stabilen Umsatz sowie bereinigten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Das entspricht laut Konzerndefinition im schlimmsten Fall beim Ebitda einem Minus von 10 Prozent. Kullmann äusserte sich während der Bilanzpressekonferenz aber zuversichtlich, dem Vorjahresergebnis durchaus nahe kommen zu können. Als Grund nannte er auch den Jahresauftakt.

Das dürfte die Einschätzung von Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research stützen. Er bezeichnete den Ausblick als wie zuletzt üblich konservativ und sieht im Jahresverlauf durchaus Spielraum nach oben.

Um die Anfälligkeit für konjunkturelle Schwankungen zu verringern, richtet Kullmann Evonik stärker auf die profitablere Spezialchemie aus. In diesem Zusammenhang wurde nun auch das Methacrylat-Geschäft für netto rund 2,5 Milliarden Euro verkauft. Der Bereich entwickelte sich zuletzt dank guten Geschäften auch mit der Autoindustrie aussergewöhnlich stark, ist aber recht schwankungsanfällig. Analyst Michael Schäfer von der Commerzbank lobte den Verkaufspreis. Der liege deutlich über seiner Erwartung und der des Marktes. Die Aktien von Evonik zogen auch daher am Vormittag phasenweise um mehr als 5 Prozent an.

Das Geld aus dem Bereichsverkauf kann Evonik gut gebrauchen. So hatte Kullmann erst im November die Einkaufstour in der Spezialchemie fortgesetzt und die Übernahme von Peroxychem, ein US-Hersteller von Wasserstoffperoxid, angekündigt. Und der Manager hat noch viel vor. Verglichen mit einem 100-Meter-Lauf sieht er Evonik beim Umbau erst bei Meter 10.

Der Wandel und verordnete Einsparungen sollen letztendlich der Profitabilität des Konzerns zugute kommen. So wurden von der bis Ende 2020 dauerhaft angestrebten Kostensenkung um 200 Millionen Euro im vergangenen Jahr 50 Millionen Euro realisiert. Evonik profitierte 2018 aber auch von einer guten Nachfrage in allen drei Konzernbereichen, die Preiserhöhungen ermöglichte. Alles in allem konnten die Essener die bereinige Ebitda-Marge 2018 um rund 1 Prozentpunkt auf 17,3 Prozent verbessern. Mittelfristig werden dann 18 bis 20 Prozent angepeilt.

Für 2018 bedeutete die Margenentwicklung bei einem Umsatzwachstum um 4 Prozent auf rund 15 Milliarden Euro ein bereinigtes Ebitda von 2,6 Milliarden Euro. Das waren zehn Prozent mehr als 2017 und so viel, wie der Konzern am unteren Ende seiner Prognosespanne in Aussicht gestellt hatte. Auch die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten wurden erfüllt.

Allerdings liess die Entwicklung zum Jahresende hin nach: Das bereinigte Ebitda stieg im Schlussquartal nur noch um 1 Prozent. Neben dem zeitweise sehr niedrigen Rhein-Pegel, der die Schifffahrt behinderte und die Logistikkosten in die Höhe trieb, bekam Evonik in einigen Bereichen auch eine trägere Nachfrage zu spüren, etwa der Auto- und Bauindustrie sowie eine Zurückhaltung der Konsumenten in China.

So konnte nur die Sparte Resource Efficiency, die leichte Kunststoffe sowie umweltfreundliche wasserlösliche Lacke herstellt, das operative Ergebnis im Schlussquartal steigern. Im Geschäft mit Anwendungen für Konsumgüter, Gesundheit sowie Tierfutter (Nutrition & Care) blieb der Gewinn in den letzten drei Monaten des Jahres zumindest fast stabil. In der vom niedrigen Rhein-Pegel besonders betroffenen Sparte Performance Materials, die auch Zwischenprodukte für die Gummi-, Kunststoff- und Agrarindustrie herstellt, fiel er hingegen deutlich.

Unter dem Strich verdiente Evonik 932 Millionen Euro nach 713 Millionen Euro vor einem Jahr. Der freie Mittelzufluss verbesserte sich deutlich auf 672 Millionen Euro. Diese Kennziffer ist wichtig für die Ausschüttungen an die Aktionäre. Die Dividende soll mit 1,15 Euro allerdings nur stabil bleiben. Hauptprofiteur der Ausschüttungen ist die RAG-Stiftung, die die sogenannten Ewiglasten des Kohlebergbaus wie die Finanzierung des Abpumpens des Grubenwasser bezahlt. Sie hält noch rund 64 Prozent an Evonik.

Deutlich steigen soll 2019 der freie Mittelzufluss (Free Cashflow). Das dürfte aber vor allem an einer neuen Strategie beim Pensionsvermögen liegen. Diese führt zu einem Sondereffekt, der nichts mit der operativen Entwicklung von Evonik zu tun hat. So erhält Evonik ab 2019 - und damit zwei Jahre eher als erwartet - Geld aus einem 2010 aufgelegten Fonds, der Schwankungen bei den Pensionsverbindlichkeiten ausgleichen soll.

Ein Grund ist eine besser als gedacht ausgefallene Entwicklung der Kapitalanlagen des Fonds. Das Geld wird Evonik für die Zahlung von Pensionen verwenden. Dadurch rechnet Finanzchefin Ute Wolf mit einem dauerhaften positiven Effekt von zirka 100 Millionen Euro beim freien Mittelzufluss. Allein das entspricht rund 15 Prozent des 2018 generierten Free Cashflow von Evonik./mis/tav/zb