Zürich (awp) - Energiedienst muss im Dienstleistungsgeschäft über die Bücher. Die früheren Prognosen waren zu optimistisch. Bis Ende des Jahres kündigt der CEO des deutsch-schweizerischen Stromversorgers, Jörg Reichert, im Interview mit der Nachrichtenagentur AWP nun ein Strategie-Update an.

"Wir werden nach der strategischen Überarbeitung im laufenden Jahr kommunizieren, wo wir Chancen sehen", sagte Reichert. "Ich rechne im vierten Quartal damit." Im Zuge des Strategie-Updates will Energiedienst auch ermitteln, welcher Ergebnisbeitrag für das neue Geschäft mittelfristig realistisch ist.

Zusätzlich zu den traditionellen Geschäftseinheiten "Schweiz" und "Deutschland" war im Jahr 2015 der Bereich "Neue Geschäftsfelder" geschaffen worden. Dieser Dienstleistungsbereich umfasst bei Energiedienst die drei Felder E-Mobilität, Photovoltaik sowie Wärme- und Energielösungen. Wegen strategischer Differenzen wurde die Leiterin des Bereichs, Sabine von Manteuffel, im vergangenen Dezember plötzlich entlassen.

Restrukturierung verzögert sich

Daraufhin sollte "aufgeräumt" werden, aber die ursprünglich für das erste Quartal angekündigte Restrukturierung des Bereichs läuft noch. "Wir sind mittendrin", sagte Reichert. Ob die Leitung nachbesetzt wird, sei noch nicht entschieden. Statt eines kompletten Strategiewechsels gehe es auch eher um eine gewisse Fokussierung sowie Nachjustierung der Ziele. Strategisch halte man an allen drei Feldern fest. Die Frage sei bloss: Wie schnell wachsen die Märkte, und was für Ertragspotentiale ergeben sich?

Dabei sieht Reichert, der seit Anfang Jahr bei Energiedienst ist und seit April CEO der Gesellschaft, den grössten Anpassungsbedarf bei der Photovoltaik. In diesem Bereich sei man - über die zwei erworbenen Tochtergesellschaften Winsun und Tritec - vor allem in der Schweiz aktiv. Energiedienst hatte hierzulande in den vergangenen zwei Jahren allerdings mit einem rückläufigen Photovoltaik-Markt zu kämpfen. "Mit Blick nach vorne erwarten wir jedoch eine Erholung", sagte der CEO.

Reichert kommt von EnBW (Energie Baden-Württemberg), die mit 67 Prozent an Energiedienst beteiligt ist. Er löst Martin Steiger ab, der 26 Jahre bei Energiedienst gearbeitet hatte, davon 19 Jahre in der Geschäftsleitung und seit mehr als zehn Jahren als Unternehmenschef. Steiger hatte vor rund zwei Jahren zu AWP gesagt, der Dienstleistungsbereich könnte 2025 einmal die Hälfte zum EBIT beitragen. "Da würde ich nun ein Fragezeichen setzen", sagte sein Nachfolger Reichert im Gespräch.

"Wir lernen als Unternehmen, dass die Ertragspotentiale, die sich auftun, kleiner sind, als man am Markt vor einigen Jahren vielleicht erwartet hatte." Der Beitrag der neuen Geschäftsfelder sei heute noch nicht gross, aber mit knapp über 37 Millionen Euro Umsatz für Energiedienst durchaus relevant. Die Nettoerlöse des Stromversorgers erreichten im vergangenen Jahr insgesamt knapp 900 Millionen Euro.

Wasserkraft bleibt Kerngeschäft

Das jetzige Kerngeschäft, die Wasserkraft, soll denn auch in Zukunft ein starkes Standbein sein. Auch bleiben die Zielmärkte die Schweiz und Südbaden in Deutschland. Mit weiteren Akquisitionen rechnet Reichert kurzfristig nicht: "Wir sind lediglich ein mittelgrosses Unternehmen und haben erst einmal einige Zukäufe getätigt, die integriert werden müssen."

In den vergangenen fünf Jahren ist das Unternehmen um rund 150 Mitarbeiter angewachsen - vor allem in den neuen Geschäftsfeldern durch die Akquisitionen von Winsun, Tritec und von Messerschmid, einem Spezialisten für Blockheizkraftwerke.

Mit Blick in die Zukunft und auf die gesamte Gruppe hält Reichert unterdessen an der Prognose für das laufende Jahr fest: einem voraussichtlichen EBIT von 35 bis 45 Millionen Euro. Dieser war 2018 auf 18,7 Millionen eingebrochen. Nachdem Energiedienst im vergangenen Jahr - wegen des extrem trockenen Wetters vor allem im zweiten Halbjahr - deutlich weniger verdient hatte, entspreche die Wasserführung am Hochrhein im laufenden Jahr bislang den Erwartungen.

(Das vollständige Interview ist auf dem Premium-Dienst von AWP zu lesen)

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