Nach einem Gewinneinbruch im vergangenen Jahr will Vorstandschef Uwe Tigges die Kern- und Wachstumsgeschäfte mit Milliardensummen ausbauen und zugleich die laufenden Kosten senken, wie er am Montag auf der Bilanzpressekonferenz in Essen ankündigte. Die Gründung von Innogy vor rund zwei Jahren sei wegen des "weltweiten Siegeszugs der Erneuerbaren" der richtige Schritt gewesen. Der Konzern mit seinen 40.000 Mitarbeitern könnte allerdings schon bald wieder Geschichte sein: Denn in der Nacht zum Sonntag hatten RWE und E.ON angekündigt, Innogy zu zerschlagen und die Geschäfte untereinander aufzuteilen. Damit wären Tigges' Pläne Makulatur.

E.ON soll das Netz- und Vertriebsgeschäft erhalten, RWE die Ökostromanlagen sowohl von Innogy als auch von E.ON. Tigges wurde von den Plänen überrumpelt, nach eigenem Bekunden hatte er davon erst am Samstagabend erfahren. Seine Meinung zu dem Vorhaben ließ er sich bei der Vorstellung der Jahresbilanz auch nicht entlocken. Dagegen unterstützen Arbeitnehmervertreter die Pläne. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat keine Einwände, dass die hiesigen Versorger die Konsolidierung auf dem deutschen Energiemarkt unter sich ausmachen. Zeitweise hatten sich Finanzkreisen zufolge auch einige ausländische Konzerne an Innogy interessiert gezeigt.

RWE hatte Innogy im April 2016 operativ an den Start und im Herbst des Jahres an die Börse gebracht. "Ich persönlich blicke auf einen erfolgreichen Börsengang zurück und deswegen habe ich keinen Zweifel, dass das, was wir getan haben, der richtige Weg ist" sagte Tigges, der im Dezember die Nachfolge des geschassten Peter Terium angetreten hatte. Der anfangs an der Börse gefeierten Tochter macht inzwischen der schärfere Wettbewerb bei den Erneuerbaren Energien zu schaffen. Zudem kämpft der Konzern mit Verlusten im britischen Vetriebsgeschäft.

In der Belegschaft gibt es nun Sorgen um den Erhalt der Arbeitsplätze. Insbesondere im Vertrieb und in der Verwaltung könnten Jobs wegfallen. Tigges versuchte in einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden internen Brief, die Mitarbeiter zu beruhigen. "Uns ist völlig klar, dass Sie diese Nachrichten verunsichern", schrieb der 57-Jährige, der früher Konzernbetriebsratschef von RWE war. "Vorstand und Aufsichtsrat werden die vorgeschlagene Transaktion sorgfältig prüfen. Wir versichern Ihnen, dass die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Unternehmens ebenso wie die unserer Aktionäre weiterhin an vorderster Stelle von uns verfolgt werden."

VERDI GIBT SCHON GRÜNES LICHT - AUCH KOMMUNEN DAFÜR

Verdi und die Gewerkschaft IG BCE begrüßten die Pläne von E.ON und RWE, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske der Gewerkschaft zufolge am Montag in Potsdam. Die Arbeitnehmer würden dem Vorhaben im Aufsichtsrat zustimmen, sagte Bsirske, der auch Vize-Chef des RWE-Aufsichtsrats ist. Sie sähen sie als Chance für alle Beteiligten, starke und investitionskräftige Unternehmen aufzubauen und Perspektiven für Wachstum und Arbeitsplätze zu erschließen.

Auch von den Kommunen - sie halten knapp 23 Prozent der RWE-Anteile - gab es nach anfänglichen Zweifeln Rückendeckung. Die geplante Transaktion zwischen RWE und der E.ON sei strategisch und finanzwirtschaftlich grundsätzlich positiv zu werten, hieß es in einer Mitteilung. "Wir begrüßen außerdem, dass ein deutsches Unternehmen neuer Partner der RWE AG und damit indirekt auch für die Kommunen wird." Sie würden den Prozess positiv begleiten, aber dabei auch Wert darauf legen, dass die kommunalen Interessen gewahrt und gestärkt würden.

Bundeskanzlerin Merkel sagte, die scheidende Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries habe die Pläne für die Regierung im Grundsatz "für gut und begrüßenswert" befunden. Die Details müsse man sich aber noch anschauen.

INSIDER - RWE STAND KURZ VOR EINIGUNG MIT IBERDROLA

Der Deal ist zwar noch nicht in trockenen Tüchern. Doch zwei Banker, die in der Vergangenheit für Innogy gearbeitet haben, sagten, ein Gegenangebot sei unwahrscheinlich. Reuters hatte von Insidern erfahren, dass RWE auch mit dem italienischen Versorger Enel, dem französischen Konkurrenten Engie und mit dem spanischen Versorger Iberdrola gesprochen habe. Mit Iberdrola habe RWE vor Weihnachten sogar kurz vor einer Einigung gestanden.

An der Börse herrschte zu Wochenbeginn Jubelstimmung: Innogy-Papiere legten in der Spitze um 16 Prozent zu, die Aktien von RWE um 14 Prozent und E.ON-Scheine um sechs Prozent. Die Analysten von Morgan Stanley äußerten sich positiv. RWE und E.ON könnte erheblich Synergien heben und ihr Geschäftsmodell schärfen. Die Analysten von Bernstein bezifferten die möglichen Einsparungen auf etwa halbe Milliarde Euro. Die Innogy-Aktie kletterte auf 39 Euro - und damit fast auf die Angebotshöhe von E.ON in Höhe von 40 Euro.

Wie groß der Sanierungsdruck bei Innogy ist, zeigt die Bilanz 2017 - egal wer am Ende den Sparkurs umsetzen wird: Nach Abschreibungen von fast einer halben Milliarde Euro auf das seit Jahren schwächelnde britische Vertriebsgeschäft brach der Nettogewinn um fast die Hälfte ein auf 778 Millionen Euro. Operativ konnte Innogy zwar vor allem von Zuwächsen im Netzgeschäft profitieren, doch die Ergebnisse im Vertrieb und im Ökostrombereich sanken. Die Aktionäre, darunter RWE mit seinem Anteil von 77 Prozent, sollen trotzdem eine unveränderte Dividende von 1,60 Euro je Papier erhalten.

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