"Was die Gehälter angeht, wird sich Ryanair ein Stück weit normalisieren, wenn auch auf niedrigem Niveau bleiben", sagt etwa Gerald Wissel, Chef der Unternehmensberatung Airborne aus Hamburg. "Dass sich das Geschäftsmodell ändert, glaube ich aber nicht." Ryanair könne höhere Personalkosten gut wegstecken, weil die Airline stark wachse und Kosten etwa durch neue, effizientere Flugzeuge drücken könne, erklärten auch die Branchenanalysten vom irischen Brokerhaus Goodbody in einer Studie.

Seit Monaten ringen Gewerkschaften in mehreren Ländern mit dem Management aus Dublin um den erstmaligen Abschluss von Tarifverträgen und damit eine grundlegende Neuordnung der Beschäftigungsverhältnisse in der bislang tariffreien Zone Ryanair. Am Freitag kam es erneut zum koordinierten Streik von Piloten und Flugbegleitern in mehreren Ländern für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, so auch in Deutschland. Das treibt dem Management nicht nur die Zornesröte ins Gesicht, sondern kostet auch Geld - Entschädigungen und Umbuchungen für die betroffenen Passagiere fallen an, die ohnehin beispiellos niedrigen Preise sinken, weil sich die Kunden nicht mehr darauf verlassen können, dass ihr Flug auch abheben wird. Ryanair-Chef Michael O'Leary erklärte vergangene Woche auf der Hauptversammlung, die jährlichen Lohnkosten von zuletzt knapp 740 Millionen Euro würden um 200 Millionen Euro steigen.

DER GROSSE VORSPRUNG SCHMILZT

Von den Turbulenzen bei Ryanair profitiert ausgerechnet der Erzrivale im Billigflugsegment, Easyjet. Die britische Airline erwartet für das am 30. September zu Ende gehende Geschäftsjahr einen Gewinnsprung von 40 Prozent - auch, weil Ryanair-Passagiere auf den weniger streikanfälligen Konkurrenten umgestiegen sind.

Bisher lag Ryanair mit einer operativen Rendite (Ebit) von 23,3 Prozent einsam an der Spitze - im Vergleich zum Branchenschnitt von 7,4 Prozent oder den acht oder neun Prozent bei Easyjet und Lufthansa. Selbst wenn die Analysten von Goodbody mit ihrer Prognose Recht behielten, wäre die Marge in den kommenden Jahren mit rund vier Prozentpunkten weniger noch immer viel höher als bei der Konkurrenz. Denn die Iren haben neben den niedrigen Lohnkosten, die sie durch die weitgehende Verweigerung fester Anstellungen mit Sozialleistungen erreichten, noch andere Stellschrauben: Die Flotte besteht einheitlich aus Boeing-Maschinen - mit Großbestellungen ließ sich der Preis beim Hersteller drücken, und die Wartung ist billiger als bei einer mit Airbus und anderen gemischten Flotte. Die neu angeschafften Boeing 737-Max haben mehr Passagiere an Bord und verbrauchen weniger Kerosin. Zudem bezahlen die Iren vergleichsweise geringe Flughafengebühren, weil sie von kleineren Airports fliegen.

Beides hat sich etwas geändert, weil mit der übernommenen früheren Air-Berlin-Tochter Laudamotion auch einige Airbus-Flieger zu Ryanair kamen, und sich der Billigflieger für sein Wachstumsziel auch an großen Flughäfen wie Frankfurt ansiedelt. Das fällt finanziell aber kaum ins Gewicht. Bis 2024 will Ryanair die Zahl der Fluggäste von voraussichtlich 139 Millionen im laufenden Jahr auf 200 Millionen steigern.

UMSATZ ÜBER EXTRAS

Um die steigenden Lohnkosten aufzufangen, könnte Ryanair nach Einschätzung von Wissel eher versuchen, noch mehr Umsatz mit Zusatzgeschäften zu erzielen als die Flugpreise anzuheben. "Da wird eher das Wasser teurer als das Ticket", sagt Wissel. So könnten die erst ab November geltenden höheren Preise für Handgepäck und bevorzugtes Boarding im bis Ende März laufenden Geschäftsjahr nach Schätzung von Goodbody 59 Millionen Euro mehr Umsatz einbringen, im folgenden Turnus fast doppelt soviel.

Eine neue Ära bahnt sich bei dem Billigflieger unterdessen nicht nur mit Blick auf die Arbeitsbeziehungen an. Der für markige Worte und aggressive Werbestrategien gegen Konkurrenten bekannte Firmenchef O'Leary kündigte vergangene Woche seinen Ausstieg in spätestens drei Jahren an. Vorerst gibt er jedoch weiter eine harte Linie vor. "Wir wollen keine Streiks, aber wir sind bereits, Streiks auszuhalten, wenn wir so unsere Kosten verteidigen können."