(neu: Reaktion Senftleben)

BERLIN/POTSDAM (dpa-AFX) - Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat angesichts anhaltender Proteste gegen den Bau neuer Windräder einen Kurswechsel gefordert. "Die Menschen vor Ort müssen Nutznießer der Energiewende sein - und nicht Opfer", sagte Woidke der Deutschen Presse-Agentur. "Der Widerstand gegen neue Anlagen ist mir bewusst. Die Verspargelung und die Stromkosten sind dafür Gründe. Deshalb muss sich hier etwas verändern." Es gehe um eine gerechte Verteilung der Stromkosten und eine gerechte Verteilung der konkreten Belastungen durch Windkraft - oder einen spürbaren Ausgleich dafür.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte wegen eines starken Rückgangs beim Ausbau der Windkraft ein Krisentreffen mit der Branche sowie den Ländern angekündigt. Woidke steht vor schwierigen Landtagswahlen Anfang September. In Brandenburg stehen nach Niedersachsen laut Branchenzahlen bundesweit die meisten Windräder.

"In der Stadt lässt sich lässig über mehr Windkraft auf dem Land plaudern", sagte Woidke. "Natürlich sind die Anlagen eine Belastung für Bürger und Kommunen im ländlichen Raum. Deshalb müssen sie Nutzen daraus ziehen können, zum Beispiel durch Einnahmen. Es darf nicht sein, dass Kapitalinvestoren eine große Rendite zu Lasten der ländlichen Bevölkerung beziehen."

Der SPD-Politiker sagte, er setze sich seit langem dafür ein, dass die Kommunen mehr Mitsprache durch eine Streichung des Windkraft-Privilegs im Baugesetzbuch bekämen. "Sie sollen mitentscheiden können und mit Genehmigungen Zahlungen des Betreibers an die Kommune erreichen." Dieses Geld könne dann direkt zum Beispiel für Kitas, Jugendarbeit oder die Feuerwehr eingesetzt werden.

"Wenn die Kommunen wieder die Planungshoheit haben, können Vor- und Nachteile einer Anlage direkt vor Ort und auch mit der Bevölkerung abgewogen werden", so Woidke. "Das heißt, die Entscheidungen werden demokratisiert. Und wir wollen, dass die Kommune dadurch Einnahmen hat."

Brandenburgs CDU-Landeschef Ingo Senftleben sagte am Donnerstag, die Grundaussagen von Woidke seien richtig, er lese praktisch nur das Regierungsprogramm der CDU vor: "Bürgerbeteiligung, klare Abstandskriterien und eine bessere finanzielle Beteiligung der Kommunen hätte er schon seit langem haben können. Sein jetziger Kurswechsel passt nicht zu dem, was er in den letzten sechs Jahren als Ministerpräsident gemacht hat und ist daher wenig glaubwürdig."

Woidke sagte weiter: "Die Energiewende wird scheitern, wenn wir nicht dorthin zurückkehren, was damit anfangs beabsichtigt war - mehr Dezentralität: Zusätzlich zur dezentralen Stromproduktion brauchen wir auch dezentralen Stromverbrauch. Öko-Strom sollte dort, wo er produziert wird, in viel stärkerem Maße genutzt werden." Die Umwandlung erneuerbaren Stroms in andere Energieträger müsse von staatlichen Strompreisbestandteilen befreit werden.

In Brandenburg gebe es sehr gute Ansätze auch zur Speicherung der Windkraft zu Wasserstoff. "Das ist ein Schlüssel für eine gesellschaftlich akzeptierte Energiewende. Das schafft zusätzliche Arbeitsplätze und völlig neue gesellschaftliche, wirtschaftliche und klimapolitische Perspektiven."

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, forderte Altmaier unterdessen auf, sich schnell um den Ausbau der Windkraft in Deutschland zu kümmern. "Nach der Photovoltaik drohen wir jetzt die zweite große Säule der erneuerbaren Technologien an China zu verlieren", sagte Krischer der "Saarbrücker Zeitung" (Donnerstag). Wenn die Regierung so weitermache, werde sie die energiepolitischen Ziele genauso krachend verfehlen wie schon die Klimaschutzziele. "Wenn die ersten alten Anlagen aus der EEG-Förderung fallen, droht ab den 2020er Jahren sogar ein Rückgang der Windstromerzeugung", sagte der Grünen-Politiker./hoe/DP/jha