DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Der Absturz der Börsen-Strompreise wird aus Sicht von Experten in den kommenden Jahren die Auslastung konventioneller Kraftwerke weiter sinken lassen und die Betreiber stark unter Druck halten. Mit einer für das laufende Jahr erwarteten Stromproduktion der Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke von rund 435 000 Gigawattstunden werde die tatsächliche Auslastung um 17 Prozent hinter den Planungen zurückbleiben, berichtete das "Handelsblatt" (Mittwoch) unter Berufung auf Berechnungen des Marktforschungsinstituts Trendresearch.

Ausgelegt seien die Kraftwerke für 521 000 Gigawattstunden. Hintergrund der Überkapazitäten sei der anhaltende Boom von Wind- und Solarstromanlagen, die bevorzugt und zu festen Vergütungen in das Netz eingespeist werden. So erhöht sich die gesamte verfügbare Menge an Strom im Großhandel, was die dortigen Preise stark drückt.

"In den kommenden Jahren werden die Überkapazitäten weiter steigen, da die Erneuerbaren weiter ausgebaut werden", hieß es dazu in der Prognose. Grundlage der Berechnung sei die ursprünglich von den Unternehmen in ihrer Wirtschaftlichkeitsplanung im Jahr 2006 angenommene Auslastung der Anlagen. Bis 2020 wird damit gerechnet, dass die Auslastungslücke bis auf 23 Prozent weiter anwächst. Nach 2020 rechnen die Experten dann durch die Stilllegung von Kernkraftwerken wieder mit einer geringeren Unterauslastung der dann noch vorhandenen konventionellen Kraftwerks-Kapazitäten.

Bei einem Börsenstrompreis für eine Megawattstunde von etwa 20 Euro sei auch mit Braunkohlekraftwerken kein Geld mehr zu verdienen, sagte Trendresearch-Experte Jens Gatena. Noch deutlich größer ist die errechnete Kostenlücke bei Gas- und Steinkohlekraftwerken.

In den kommenden Jahren sei nicht mit einem erneuten Anstieg der Großhandelspreise für Strom zu rechnen, sagte Gatena. Voraussichtlich würden sie auf dem derzeitigen Niveau bleiben. An der Leipziger Strombörse EEX kostete zum Jahresbeginn eine Megawattstunde Strom nur noch rund 20 Euro, vor fünf Jahren waren es noch weit über 50 Euro.

Das immer unrentablere Geschäft der Stromerzeugung in konventionellen Kraftwerken hatte in der Vergangenheit bei den Energiekonzernen bereits für Milliardenverluste gesorgt. Schon dreimal verbuchte etwa Eon seit der Fukushima-Katastrophe im März 2011 hohe Fehlbeträge. Vor zwei Wochen musste Eon-Chef Johannes Teyssen sogar ein Rekordminus von sieben Milliarden Euro für das vergangene Jahr verkünden.

Auch beim Branchenzweiten RWE gab es schon zweimal Jahresverluste, ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht. Bei vielen Verbrauchern kommt von alledem vorerst nichts an: Sie müssen in den Endkunden-Preisen unter anderem die steigenden Ökostrom-Umlagen und Netzentgelte wegen des nötigen Ausbaus der Stromnetze mittragen./uta/DP/jha