ESSEN (dpa-AFX) - Die Großhandelspreise für Strom sind in den vergangenen Monaten kräftig gestiegen. An der Strombörse in Leipzig haben die Notierungen ein Niveau erreicht wie zuletzt vor sieben Jahren. Wie schnell und in welchem Umfang sich der kräftige Preissprung auch auf den Stromrechnungen der Haushalte in Deutschland niederschlägt, ist nach Einschätzung von Experten aber noch nicht abzusehen.

"Der Anstieg der Großhandelspreise von drei auf fünf Cent je Kilowattstunde ist schon eine starke Erhöhung", sagte der Energieökonom Professor Andreas Löschel von der Universität Münster. Kurzfristig dürften die steigenden Großhandelspreise nach Löschels Einschätzung wohl nicht bei den Haushaltskunden ankommen, weil sich viele Versorger mit langfristigen Verträgen gut gegen solche Fälle abgesichert haben dürften. "Mittelfristig kann das aber anders aussehen."

Die großen Versorger halten sich bei der Frage, ob sie die Strompreise im kommenden Jahr erhöhen, bedeckt. "Eine Prognose ist noch nicht möglich", sagte ein Sprecher von Eon, mit sechs Millionen Strom- und Gaskunden in Deutschland einer der Branchenriesen. Der Strompreis setze sich aus vielen Komponenten zusammen. "Der Einkauf macht dabei 18 Prozent des Endpreises aus." Klarer sehe man deshalb erst, wenn feststehe, wie sich die vom Verbraucher zu zahlenden Umlagen entwickelten. Auch bei Innogy heißt es: "Wir beobachten die Entwicklung."

Wie hoch die EEG-Umlage 2019 ausfällt, soll Mitte Oktober klar sein. Nach einer Schätzung der Denkfabrik Agora Energiewende könnte die Umlage im kommenden Jahr weitgehend stabil bleiben. Auch das sei eine Folge der steigenden Großhandelspreise. Denn dadurch erlösten die Ökostrom-Anlagen mehr Geld auf dem Strommarkt. Derzeit müssen die Stromkunden die Ökostromförderung mit 6,79 Cent je Kilowattstunde finanzieren.

Die steigenden Großhandelspreise für Strom sind nach Ansicht von Verbraucherschützern kein Grund, die Stromrechnungen der Haushalte zu erhöhen. "Als die Großhandelspreise vor einigen Jahren in den Keller gegangen sind, haben sich die Versorger geweigert, die Vorteile an ihre Kunden weiterzugeben", sagte der Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW, Udo Sieverding. Das hätten sie damals mit langfristigen Lieferverträgen zu höheren Preisen begründet. "Das muss auch bei der umgekehrten Entwicklung gelten."

An der Strombörse in Leipzig ist der Preis für Stromlieferungen im kommenden Jahr mittlerweile auf über 55 Euro je Megawattstunde gestiegen, wie Fabian Huneke vom Berliner Beratungsunternehmen Energy Brainpool berichtete. Das sei der höchste Stand seit sieben Jahren. Im Februar 2016 sei die Megawattstunde noch für knapp unter 21 Euro gehandelt worden.

Neben gestiegenen Beschaffungskosten für Kohle und Gas gilt ein kräftiger Anstieg der Preise für die sogenannten Verschmutzungsrechte als Grund für die steigenden Großhandelspreise beim Strom. Nach Angaben der Deutschen Emissionshandelsstelle wurden bis Ende August an der Strombörse EEX bereits Emissionsberechtigungen im Wert von 1,7 Milliarden Euro versteigert, deutlich mehr als im gesamten Vorjahr, als es knapp 1,2 Milliarden Euro waren. "Der Emissionshandel löst jetzt einen Teil seines Versprechens ein", kommentierte Energieökonom Löschel die Entwicklung. "Es ist aber noch nicht klar, ob das ein langfristiges Preissignal ist."

Stabilisiere sich der Großhandelspreis auf dem höheren Niveau, könnte die EEG-Umlage sogar sinken, so Löschel. Mit niedrigeren Strompreisen könnten die Verbraucher aber wohl nicht rechnen. "Insgesamt steigen die Kosten der Stromerzeugung und damit auch die Strompreise für die Endkunden", prognostiziert der Wissenschaftler./hff/DP/nas