BERLIN (dpa-AFX) - Begleitet von Klimaschutz-Protesten suchen Industrie, Gewerkschaften, Politik und Klimaschützer nach einem Kompromiss für den Kohleausstieg. Am Freitagmorgen kam die 28-köpfige Kohlekommission in Berlin zu ihrer vielleicht entscheidenden Sitzung zusammen. Teilnehmer rechneten mit schwierigen Verhandlungen bis in die Nacht hinein, auch eine Vertagung galt als möglich. Am Mittag sammelten sich Tausende Schüler und Studenten vor dem Wirtschaftsministerium, um lautstark für einen schnellen Kohleausstieg und mehr Klimaschutz zu demonstrieren - einige trugen ihr Anliegen auch direkt der Kommission vor.

Umstritten ist vor allem, wann genau und in welchen Schritten Deutschland aus der klimaschädlichen Kohleverstromung aussteigen soll, sowie Fragen der Finanzierung. Ein Drittel des Stroms in Deutschland wird noch in Kohlekraftwerken erzeugt. Die strittigsten Punkte wie ein Abschaltplan für die Kohlekraftwerke sollten erst am Nachmittag behandelt werden.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), sagte, es gehen darum, Klimaschutz, die Schaffung neuer Jobs in den Kohleregionen sowie Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit der Stromversorgung unter einen Hut zu bringen. Die Energiewende werde gelingen, wenn es einen großen Konsens aller gesellschaftlichen Akteure gebe. Mit diesem Ziel hatte die Bundesregierung die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" eingesetzt.

Umsetzen muss den Kohleausstieg dann die Politik. Neben dem konkreten Abschaltplan gilt die Finanzierung als Hürde. Feste Finanzierungszusagen können nur Bundesregierung und Bundestag machen. Steuergelder sollen unter anderem für Entlastungen von Bürgern und Industrie bei steigenden Strompreisen fließen, für Entschädigungen, aber auch für Hilfen für die betroffenen Beschäftigten und Investitionen in neue Jobs in den Kohleregionen Lausitz, Mitteldeutsches Revier und Rheinisches Revier.

Die Ministerpräsidenten der Kohle-Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Nordrhein-Westfalen setzen daher auf Zusagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie wollen sich am kommenden Donnerstagabend noch einmal mit der Kanzlerin treffen, wie der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Reiner Haseloff (CDU), im ZDF-"Mittagsmagazin" sagte. "Wir brauchen Verlässlichkeit, wir brauchen klare Finanzzusagen."

Die Bergbaugewerkschaft IG BCE rechnet mit Kosten von bis zu fünf Milliarden Euro für ein Anpassungsgeld für Beschäftigte ab 58 Jahren, die die Zeit bis zum Renteneintritt überbrücken müssen, sowie einen Ausgleich von Einbußen bei der Rente. Dafür könnten Staat und Arbeitgeber gemeinsam aufkommen.

Am Morgen hatten bereits IG BCE sowie Umweltaktivisten am Wirtschaftsministerium demonstriert. Mittags sprach Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im Ministerium mit Schülern, die sich freitags in den Schülerprotesten "Fridays for Future" (Freitage für die Zukunft) engagieren.

Altmaier traf auch die jungen Demonstranten vor dem Ministerium. Sie hätten ihr Engagement "nachdrücklich" gezeigt, sagte er mit Blick auf laute Buh-Rufe. Zu ihm kämen aber auch Menschen, die Angst um ihre Jobs hätten. Er nehme die Proteste ernst, sagte der Minister, und forderte die jungen Menschen auf, sich in Parteien zu engagieren.

Deutschland steigt schon jetzt langsam aus der Kohle aus, außerdem bis 2022 aus der Atomkraft. Der Prozess muss aber beschleunigt werden, damit die deutschen und internationalen Ziele im Klimaschutz einzuhalten sind. Bei der Verstromung von Braun- und Steinkohle entsteht viel Kohlendioxid (CO2), das in der Atmosphäre den Klimawandel beschleunigt./ted/hoe/DP/fba