(Im ersten Absatz wurde der Sachstand der Beratungen der Kohlekommission am Freitag in Berlin aktualisiert)

BERLIN (dpa-AFX) - In schwierigen Verhandlungen und begleitet von Protesten haben Industrie, Gewerkschaften, Politik und Klimaschützer einen Kompromiss für einen Kohleausstieg gesucht. Die 28-köpfige Kohlekommission kam am Freitag zu ihrer vielleicht entscheidenden Sitzung zusammen. Teilnehmer rechneten mit schwierigen Verhandlungen bis in die Nacht hinein, auch eine Vertagung galt als möglich. Die strittigsten Punkte wurden erst ab dem Nachmittag behandelt.

Unterdessen drängen die Regierungschefs der Kohle-Länder die Bundesregierung zu "belastbaren Zusagen" über langfristige Finanzhilfen für den Strukturwandel in den betroffenen Regionen.

Umstritten ist vor allem, wann genau und in welchen Schritten Deutschland aus der klimaschädlichen Kohleverstromung aussteigen soll, sowie Fragen der Finanzierung. Ein Drittel des Stroms in Deutschland wird noch in Kohlekraftwerken erzeugt.

Umsetzen muss den Kohleausstieg die Politik. Neben einem konkreten Abschaltplan für Kohlekraftwerke gilt die Finanzierung als Hürde. Feste Finanzierungszusagen können nur Bundesregierung und Bundestag machen. Milliarden-Steuergelder sollen unter anderem für Entlastungen von Bürgern und Industrie bei steigenden Strompreisen fließen, für Entschädigungen, aber auch für Hilfen für die betroffenen Beschäftigten und Investitionen in neue Jobs in den Kohleregionen Lausitz, Mitteldeutsches Revier und Rheinisches Revier.

In einem Brief der Regierungschefs der Kohle-Länder Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) heißt es, die Kohlekommission werde zu Maßnahmen für den Strukturwandel lediglich "Appelle" formulieren können: "Entscheidend sind verbindliche Absprachen über den Umfang und das weitere Verfahren, die auch für folgende Bundesregierungen gelten." Das Schreiben vom Freitag lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Die Ministerpräsidenten schalteten sich damit in die Verhandlungen der von der Regierung eingesetzten Kommission ein.

In dem Brief heißt es, eine belastbare Zusage des Bundes, die erforderlichen struktur- und verkehrspolitischen Maßnahmen zu finanzieren, sei eine zentrale Voraussetzung dafür, dass die Ergebnisse der Kommission die Akzeptanz der betroffenen Menschen in den Braunkohlerevieren finden.

Die Kohle-Länder hatten sich Mitte Januar mit Merkel und den zuständigen Bundesministern getroffen. Dabei hatte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) laut Haseloff langfristige Hilfen zugesagt. Für kommenden Donnerstag ist ein weiteres Treffen geplant - dies wäre vor einer möglichen neuen Sitzung der Kohlekommission. Diese ist im Falle einer Vertagung bisher für den kommenden Freitag geplant.

Deutschland steigt schon jetzt langsam aus der Kohle aus, außerdem bis 2022 aus der Atomkraft. Der Prozess muss aber beschleunigt werden, damit die deutschen und internationalen Ziele im Klimaschutz einzuhalten sind. Bei der Verstromung von Braun- und Steinkohle entsteht viel Kohlendioxid (CO2), das in der Atmosphäre den Klimawandel beschleunigt.

Laut Entwurf des Kommissions-Konzepts soll in den Jahren 2023, 2026 und 2029 überprüft werden, wie sich der Kohleausstieg zum Beispiel auf die Entwicklung der Strompreise auswirkt - um falls nötig nachzusteuern.

Die Sitzung der Kohlekommission wurde von Protesten begleitet. Am Morgen demonstrierten Mitglieder der Bergbau-Gewerkschaft IG BCE sowie Umweltaktivisten am Wirtschaftsministerium. Am Mittag sammelten sich Tausende Schüler und Studenten vor dem Wirtschaftsministerium, um lautstark für einen schnellen Kohleausstieg und mehr Klimaschutz zu demonstrieren - einige trugen ihr Anliegen auch direkt der Kommission vor.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach im Ministerium mit Schülern, die sich freitags in den Schülerprotesten "Fridays for Future" (Freitage für die Zukunft) engagieren.

Altmaier traf auch die jungen Demonstranten vor dem Ministerium. Sie hätten ihr Engagement "nachdrücklich" gezeigt, sagte er mit Blick auf laute Buh-Rufe. Zu ihm kämen aber auch Menschen, die Angst um ihre Jobs hätten. Er nehme die Proteste ernst, sagte der Minister, und forderte die jungen Menschen auf, sich in Parteien zu engagieren.

Altmaier hatte am Morgen gesagt, es gehe beim Kohleausstieg darum, Klimaschutz, die Schaffung neuer Jobs in den Kohleregionen sowie Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit der Stromversorgung unter einen Hut zu bringen. Die Energiewende werde gelingen, wenn es einen großen Konsens aller gesellschaftlichen Akteure gebe. Mit diesem Ziel hatte die Bundesregierung die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" im vergangenen Sommer eingesetzt.

Die Gewerkschaft IG BCE rechnet mit Kosten von bis zu fünf Milliarden Euro für ein Anpassungsgeld für Beschäftigte ab 58 Jahren, die die Zeit bis zum Renteneintritt überbrücken müssen, sowie einen Ausgleich von Einbußen bei der Rente. Dafür könnten Staat und Arbeitgeber gemeinsam aufkommen./ted/hoe/DP/fba