BERLIN (dpa-AFX) - Der Chef der Bergbau-Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, hat kurz vor der entscheidenden Phase der Kohlekommission vor überzogenen Forderungen gewarnt. "Ein Auslaufen der Kohleverstromung Anfang der 2040er Jahre ist realistisch", sagte Vassiliadis, der Mitglied der Kommission ist, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Umweltverbände dagegen fordern einen schnelleren Ausstieg.

Vassiliadis sagte, bis 2022/23 würden sich die Kohlekapazitäten bereits spürbar verringern, weil bis dahin ohnehin weitere Kraftwerke vom Netz gingen - sowohl bei der Braun- wie der Steinkohle.

Der Gewerkschaftschef kritisierte massiv Forderungen von in der Kohlekommission vertretenen Umweltverbänden, bis 2022 rund 16 Gigawatt Leistung von Braunkohle- und Steinkohlekraftwerken abzuschalten. "Das ist eine maximale Provokation. Darunter wären fast 8 Gigawatt Braunkohle. Das würde eine Sofort-Abschaltung der Braunkohle und Kahlschlag in den Belegschaften und Revieren bedeuten. Das ist mit uns nicht zu machen. Wir brauchen Realismus in der Debatte."

Die Kommission mit dem offiziellen Titel "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" kommt an diesem Donnerstag (10.00 Uhr) in Berlin erneut zusammen. Auch am Freitag ist eine Sitzung geplant. Dabei soll es um zentrale Fragen gehen. Die Kommission soll einen Ausstiegspfad aus der Kohlestrom-Gewinnung aufzeigen. Sie soll daneben Sofortmaßnahmen vorschlagen, damit Deutschland die erwartete Lücke zum Klimaschutz-Ziel für 2020 möglichst gering hält. Dieses sieht vor, 40 Prozent weniger Treibhausgas gegenüber 1990 auszustoßen.

"In der Kommission wird es nun ernst", sagte Vassiliadis. "Ich bin aber zuversichtlich, dass es in den kommenden beiden Wochen eine Lösung im Konsens geben kann."

Das Gremium hatte sich bereits auf Empfehlungen zum Strukturwandel in den betroffenen Kohleregionen wie der Lausitz im Osten geeinigt - die aber noch konkretisiert werden sollen. "Für einen erfolgreichen Strukturwandel müssen wir bei den Investitionsanreizen neue Wege gehen", sagte Vassiliadis. "Nur so werden wir industrielle Großprojekte mit guten Jobs in die Reviere holen können. Die Bundesregierung muss erheblich mehr als die bisher vereinbarten 1,5 Milliarden Euro für den Strukturwandel in den Kohleregionen in die Hand nehmen."

Wichtig sei dann die politische Umsetzung der Beschlüsse, so der Gewerkschaftschef. "Da habe ich meine Zweifel. Die Koalition gibt derzeit kein gutes Bild ab. Die Bundesregierung muss ihre Hausaufgaben machen, zum Beispiel bei der Beschleunigung des Netzausbaus. Er ist entscheidend für das Gelingen der Energiewende."/ted/DP/zb