GRÄFELFING (dpa-AFX) - Dramatische Einbrüche, enttäuschte Erwartungen: Als der UV-Technologieanbieter Dr. Hönle Ende Februar das Zahlenwerk für das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahres vorlegte, gab es für die Anleger nichts zu lachen. Sowohl das operative Ergebnis als auch der Gewinn schmolzen um rund 40 Prozent ein. Und die nächste Hiobsbotschaft ließ nicht lange auf sich warten: Nach dem Kursrutsch fliegt die Aktie des UV- und Klebstoffspezialisten am 23. März aus dem Nebenwerteindex SDax.

Woher rührt die dramatische Talfahrt? Fakt ist: Der frappierende Gewinneinbruch ergibt sich vor allem aus dem Referenzjahr 2017/18, in dem das Ergebnis durch die Decke schoss - auf lange Sicht bewegt sich die Hönle Gruppe durchaus in einem soliden Wachstumskorridor. Auch ein Analyst räumt dem Unternehmen weiterhin großes Potenzial ein. Ein Überblick.

DAS IST LOS BEI DR. HÖNLE:

Wie am Ende des vergangenen Geschäftsjahrs krankte der UV- und Klebstoffspezialist auch im ersten Quartal (bis Ende Dezember) an der einbrechenden Nachfrage seiner Großkunden. Insbesondere im Segment Klebstoffe blieben wichtige Aufträge aus, die dem Konzern aus Gräfelfing bei München 2018 noch Rekordeinnahmen beschert hatten.

Gefragt sind die Klebstoffe der Hönle-Gesellschaften etwa in der Medizintechnik, der Optik, in E-Autos, Laptops und Smartphones. Nach eigenen Angaben zählen mittlerweile alle großen Smartphone-Hersteller zum Kundenkreis der Hönle Gruppe. Entsprechend sieht der Vorstand im Klebstoff den "zukunftsträchtigsten Geschäftsbereich", der sich "mittel- bis langfristig" wieder als Gewinntreiber erweisen soll.

Den meisten Umsatz wirft derzeit die Sparte Geräte und Anlagen ab. Die von Dr. Hönle vertriebenen Geräte fußen fast gänzlich auf der Technik, auf der der heutige Aufsichtsratschef Karl Hönle vor 44 Jahren das Unternehmen aufbaute: der UV-Technologie. Die Anlagen simulieren Sonnenlicht, entkeimen Oberflächen oder trocknen frisch Gedrucktes. Und liefern damit Lösungen in der Photovoltaik-, Lebensmittel- und Druckindustrie.

Dass die Erlöse auch in diesem Segment rückläufig sind, begründet der Konzern mit der schwächelnden Konjunktur. Damit es im laufenden Geschäftsjahr besser läuft, will der Vorstand hier Geschäftsbeziehungen ausbauen und Kosten sparen. Anders als bei den Klebstoffen rechnet die Hönle Gruppe schon zum Geschäftsjahresende mit einer "deutlichen Ergebnisverbesserung".

Erwartungsfroh zeigt sich die Hönle Gruppe im Bereich der Ballastwasserentkeimung, denn seit 2017 gelten verschärfte Regeln für Ballastwasser in der Schifffahrt. Mit diesem Wasser werden Schiffe stabilisiert, gleichzeitig können dabei aber Keime in andere Regionen transportiert werden, wo sie möglicherweise das Ökosystem beeinflussen. Fast alle Reeder sind deshalb nun in der Pflicht, den Keimgehalt in dem von ihnen umhergeschifften Ballastwasser zu regulieren. Rund 40 000 Schiffe weltweit müssen im Lauf der nächsten Jahre entsprechende Anlagen einbauen. Um dieses Potenzial abzuschöpfen, hat der Konzern seine Kapazitäten zuletzt ausgebaut.

Trotz der schwachen Zahlen des ersten Quartals, das bei Dr. Hönle von Anfang Oktober bis Jahresende geht, hält die Hönle Gruppe an ihren Zielen für das laufende Geschäftsjahr fest: Der Umsatz soll folglich zwischen 105 und 115 Millionen Euro liegen, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) zwischen 17 und 20 Millionen Euro.

Fraglich, ob das Unternehmen diese Prognose angesichts der durch das neuartige Coronavirus ausgelösten Turbulenzen halten kann. Schließlich hatte der Konzern zuletzt immer wieder seine Ziele zusammenstreichen müssen. Und mit Blick auf das laufende Geschäftsjahr ist noch nicht abzusehen, ob und in welchem Ausmaß die Viruskrise das Ergebnis der Hönle Gruppe eintrüben wird.

Um das Potenzial der Gruppe in Zukunft voll zu entfalten, plant der Vorstand auch über Zukäufe zu wachsen. Zwar seien im ersten Quartal noch keine "nennenswerten" Akquisitionen geglückt, wie die Hönle-Gruppe auf Anfrage mitteilte. Insbesondere im Segment Klebstoffe plane der Konzern aber weiterhin, anorganisch zu wachsen.

Vorstellbar wäre zudem, das Geschäft rund um die Entkeimung von Wasser und Oberflächen durch Zukäufe zu stärken. Der Fokus des Vorstands liegt jedoch klar auf der Klebstoffsparte. Eine Priorität, die auch Warburg-Research-Experte Malte Schaumann teilt - der einzige namhafte Analyst, der sich dem mit Papier der Gruppe beschäftigt.

DAS SAGT DER ANALYST:

"Wesentliche zukünftige Wachstumstreiber bleiben die Potenziale im Klebstoffgeschäft", glaubt der Fachmann von Warburg Research. Entsprechend unbeeindruckt zeigt er sich von den schwachen Quartalszahlen. Insbesondere im zweiten Halbjahr rechnet Schaumann mit größeren Aufträgen im Segment Klebstoff sowie positiven Impulsen durch die Sparte Glas und Strahler.

Zudem könnte im kommenden Geschäftsjahr unter anderem eine erhöhte Nachfrage von Smartphone-Herstellern wieder stärkeres Wachstum ermöglichen, was noch nicht in der Aktie eingepreist sei. Vor diesem Hintergrund setzt er das Kursziel auf 72 Euro fest. Nach wie vor rät er zum Kauf des Papiers.

Laut Schaumann sprechen außer dem tragfähigen Geschäftsmodell noch weitere Gründe für Hönle, zum Beispiel die eher moderate Konkurrenz. Andere Wettbewerber seien oft nur regional tätig und weniger finanzstark. Außerdem böten Mitstreiter ähnlicher Größe meist nur Produkte für einzelne Marktsegmente an.

Daraus könne die Hönle-Gruppe, die etwas mehr als 600 Mitarbeiter beschäftigt, Kapital schlagen. Für das laufende Geschäftsjahr 2019/20 (30. September) rechnet Schaumann deshalb mit einem Ebit von 19 Millionen Euro und damit dem oberen Ende der vom Unternehmen in Aussicht gestellten Spanne. Im Folgejahr soll das Betriebsergebnis auf rund 27 Millionen Euro steigen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Für das Wertpapier, das seit 2001 an der Börse notiert ist, markiert der Abschied aus dem SDax einen weiteren Punkt im schrittweisen Abstieg, der Mitte 2018 begann. In den Tagen nach Bekanntgabe des Index-Abstiegs rutschte das Papier im Zuge des Corona-Crashs bis auf 33,70 Euro - der tiefste Stand seit Mitte 2017.

Damit entfernte sich das Papier weiter von seinem Rekordhoch aus dem Sommer 2018, als die üppige Auftragslage in der Klebstoffsparte die Aktie auf ein Hoch von 89,20 Euro trieb. Davon ist sie heute denkbar weit entfernt, auch wenn sie sich zuletzt wieder etwas erholte. Derzeit steht sie bei 35 Euro.

Das Virus trifft beim Konzern auch insofern einen wunden Punkt, als dass Asien und Europa die mit Abstand wichtigsten Absatzmärkte darstellen - also gerade jene Kontinente, auf denen sich das Virus bisher besonders verbreitet hat. Mit der Hoenle UV Technology in Shanghai und der Panacol-Korea in Seongnam haben zudem zwei der 14 hundertprozentigen Tochtergesellschaften ihren Hauptsitz in Asien.

Obwohl der Aktienkurs der Gruppe in der Vergangenheit immer wieder nach oben und unten ausschlug, zeichnet sich auf lange Sicht ein klarer Aufwärtstrend ab: In den vergangenen fünf Jahren zog der Börsenwert trotz der jüngsten Schwäche um fast 80 Prozent an, während der SDax nur um rund 30 Prozent zulegte.

Diese positive Entwicklung ist allerdings vorerst vorbei. Seit dem Rekordhoch im Sommer 2018 sank der Börsenwert um rund 60 Prozent auf nur noch knapp 200 Millionen Euro. Sollten die Hiobsbotschaften rund um das Coronavirus anhalten, scheint auch ein weiterer Abfall denkbar./hosjcf/zb/niw/fba

--- Von Jan Christoph Freybott, dpa ---