WIESBADEN (dpa-AFX) - Für Wohnungen und Häuser müssen Käufer in Deutschland immer tiefer in die Tasche greifen. Der langjährige Anstieg der Immobilienpreise setzte sich auch zu Jahresbeginn fort, teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Demnach gibt es nicht nur in Großstädten satte Aufschläge. Der Boom mache sich "sowohl in den Städten als auch in ländlichen Regionen" bemerkbar - bis in dünn bevölkerte Regionen, erklärte die Wiesbadener Behörde. Ob politische Eingriffe wie Mietendeckel oder Enteignungen die Wohnungsnot lösen können, bezweifeln viele Bürger.

Wohnimmobilien verteuerten sich im ersten Quartal im Schnitt um 5 Prozent gemessen am Vorjahreszeitraum, so die Statistiker. Vor allem in den sieben größten Städten schossen die Preise nach oben: Dort kosteten Eigentumswohnungen binnen Jahresfrist 8,6 Prozent mehr und Ein- und Zweifamilienhäuser 6,9 Prozent. Zu den Metropolen zählen Berlin, München, Hamburg, Frankfurt, Köln, Stuttgart und Düsseldorf.

Auf dem Land war der Preisanstieg zwar nicht so stark. In dichter besiedelten Kreisen wurden Wohnungen aber auch um 1,7 Prozent teurer und Häuser um 4,3 Prozent. In wenig bevölkerten Regionen stiegen die Wohnungspreise um 1,1 Prozent und jene für Häuser um 4,5 Prozent.

Angetrieben von den niedrigen Zinsen, der guten Konjunktur und einer starken Zuwanderung in die Städte steigen die Immobilienpreise in Deutschland seit fast zehn Jahren. Zudem fehlen vor allem in den Ballungsräumen massenhaft Wohnungen, der Neubau kann die hohe Nachfrage bisher nicht decken. Die Bundesbank hat wiederholt gewarnt, Wohnungen und Häuser in Städten seien bis zu 30 Prozent überteuert.

Gemessen an der Lage vor wenigen Jahren müssen Käufer deutlich höhere Preise stemmen. Seit Ende 2015 hätten sich Wohnungen und Häuser im Bundesschnitt um 22 Prozent verteuert, erklärte das Statistische Bundesamt. In den sieben Metropolen verzeichnete es Aufschläge von fast 41 Prozent für Wohnungen und gut 36 Prozent für Häuser.

Selbst in dünn besiedelten Landkreisen haben sich Häuser demnach in dem Zeitraum spürbar verteuert - um über ein Fünftel (21,4 Prozent). Die Preise für Wohnungen kletterten dort um gut 16 Prozent.

Auch die Investments großer Investoren wie Fonds und Versicherungen treiben den Boom an. Sie suchen händeringend einträgliche Anlagen für Gelder ihrer Kunden. So haben viele Versicherungen mehr Geld in Immobilien angelegt, wie eine aktuelle Befragung der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft EY unter 24 Anbietern der Branche ergab.

Demnach hat der Anteil von Immobilien in den Geldanlagen von Versicherern einen Höchststand von gut zehn Prozent erreicht, wie Studienautor Dietmar Fischer am Mittwoch erklärte. Das zeige die "herausgehobene Rolle" von Immobilienanlagen in Zeiten der Niedrigzinsen. 70 Prozent der befragten Firmen wollten ihre Bestände aufstocken. Beliebt seien Büros, aber auch Wohnungen - trotz hoher Preise. Renditeträchtige Anlagen in Aktien sind Versicherungen in der Regel wegen strenger Risikovorgaben nur in engen Grenzen erlaubt.

Die hohen Immobilienpreise schlagen sich in steigenden Mieten nieder. Das Thema löst besonders in großen Städten hitzige Diskussionen aus, die Rufe nach mehr Regulierung werden lauter. Berlin etwa plant einen Mietenstopp über fünf Jahre. Eine Bürgerinitiative fordert dort zudem die Enteignung von Immobilienkonzerne.

Die Wohnungswirtschaft lehnt das vehement ab und warnt vor ausbleibenden Investitionen. Auch viele Bürger sind laut einer Umfrage des Civey-Instituts im Auftrag des Branchenverbands Zentraler Immobilienausschuss (ZIA) skeptisch. Über 63 Prozent der mehr als 2500 Teilnehmer antworteten auf die Frage, ob Enteignungen privater Wohnungsunternehmen ein adäquates Mittel seien, um neuen Wohnraum zu schaffen, mit "Nein, auf keinen Fall" oder "eher nein".

Beim Thema Mietendeckel sind die Befragten gespalten: Rund 46 Prozent denken, dass das politische Instrument zu weniger Investitionen führe. Knapp 34 Prozent glaubten das Gegenteil. Dem Staat traute rund ein Drittel der Befragten zu, effizienter und schneller Wohnungen bauen zu können als private Unternehmen. Mehr als die Hälfte wiederum sah das anders. "Die öffentliche Hand kann die aktuell angespannten Märkte nicht allein lösen", lautete am Mittwoch das Fazit von ZIA-Präsident Andreas Mattner.

Jüngst war der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen überraschend Kritikern entgegen gekommen: Er kündigte einen freiwilligen Mieterhöhungsstopp an. Demnach soll es keine Anhebungen geben, wenn ein Haushalt mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Kaltmiete aufwenden müsste. Das Beispiel fand bisher keine Nachahmer./als/maa/DP/stw