BERLIN (dpa-AFX) - Der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen verdient trotz der Debatte um ein Einfrieren von Mieten noch immer gut mit seinen Wohnungen. Die Mieteinnahmen wachsen weiter. Allerdings hinterlässt der drohende Mietendeckel im wichtigsten Markt Berlin erste Spuren in der Bilanz. Auf der Suche nach neuen Erlösquellen nimmt der Konzern nun verstärkt Pflegeheime in den Blick und nutzt die hohen Wohnungspreise für mehr Verkäufe. Was bei Deutsche Wohnen los ist, wie der Konzern von Analysten bewertet wird und wie sich die Aktie entwickelt hat:

LAGE DES UNTERNEHMENS:

Deutsche Wohnen gehört zu den größten Wohnimmobilienkonzernen Deutschlands und verdient seit Jahren dank steigender Mieten vor allem in Berlin gut. Im ersten Halbjahr 2019 zahlten Mieter der Deutschen Wohnen im Durchschnitt pro Quadratmeter 6,73 Euro kalt, in Berlin waren es 6,82 Euro. Damit überwiesen Mieter auf vergleichbarer Basis im Schnitt 3,3 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, in den 116 000 Berliner Wohnungen sogar 3,6 Prozent mehr.

Das ließ zwar den Gewinn des MDax-Konzerns im laufenden Geschäft (Funds from Operations 1, kurz FFO 1) um mehr als 13 Prozent auf 283,4 Millionen Euro wachsen. Unterm Strich ging der Konzerngewinn aber zurück. Mit 603 Millionen Euro lag das Halbjahresergebnis knapp 50 Millionen Euro unter dem Vorjahreswert. Dazu trug bei, dass der Wertzuwachs von Wohnungen geringer eingeschätzt wird als vor einem Jahr. In diesem Zusammenhang verwies das Unternehmen auf den Berliner Plan, die Mieten für fünf Jahre einzufrieren.

Große Wohnimmobilienkonzerne stehen schon seit längerem wegen der anziehenden Mieten in Metropolen unter Dauerbeschuss. Neben einem Mietendeckel - der Berliner Senat hat sich erst kürzlich auf Eckpunkte dazu geeinigt - will eine Berliner Bürgerinitiative die Enteignung großer Immobilienfirmen durchsetzen. Der Senat prüft noch, ob das angestrebte Volksbegehren zugelassen werden kann. An der prestigeträchtigen Karl-Marx-Allee schnappte das Land der Deutschen Wohnen erst vor kurzem mehrere hundert Wohnungen vor der Nase weg.

Auf die anhaltende Kritik reagierte das Management der Deutschen Wohnen mit einem freiwilligen Mietendeckel. Demnach soll es keine Mieterhöhung geben, wenn ein Haushalt mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Nettokaltmiete einer angemessenen Wohnfläche aufwenden muss. Um diese Härtefallregelung zu nutzen, müssen Mieter ihr Einkommen offen legen.

Zuletzt war das Portfolio des Konzerns auf bundesweit gut 165 000 Wohnungen gewachsen. Nun werde man ein "Netto-Verkäufer", sagte Vorstandschef Michael Zahn in einer Analystenkonferenz. Während in diesem Jahr insgesamt etwa 10 000 Wohnungen verkauft werden sollen, seien zugleich etwa 4000 Einheiten erworben worden. "Das ist etwas, was auch in den nächsten Jahren zu erwarten ist." Zudem kündigte er für das dritte Quartal ein Konzept an, wie das Segment Pflegeimmobilien weiter wachsen kann. Die Konzernstrategie soll sich aber nicht fundamental ändern.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Während sich die meisten Analysten mit der Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr zufrieden zeigten, bemängelten sie eine Aufwertung des Immobilienportfolios. Allerdings sorgt den Experten zufolge der drohende Mietendeckel für eine große Unsicherheit.

Der Immobilienkonzern habe in etwa wie von ihm erwartet abgeschnitten, schrieb Analyst Kai Klose von der Privatbank Berenberg in einer Studie. Zudem habe das Unternehmen seine Profitabilität von einem ohnehin schon hohen Niveau in beeindruckender Art und Weise gesteigert. Auch Analyst Thomas Rothäusler vom Analysehaus Jefferies sprach von einer soliden Halbjahresbilanz. Nun richte sich alle Aufmerksamkeit darauf, wie sich die Geschäfte nach der konkreten Ausgestaltung des Berliner Mietendeckels entwickeln werden.

Für Analyst Neil Green von der US-Bank JPMorgan schnitt Deutsche Wohnen bei der Vorlage seiner Zahlen uneinheitlich ab. Negativ falle die im Vergleich zu den Wettbewerbern deutlich unterdurchschnittliche Aufwertungen des Immobilienportfolios ins Gewicht. Hier habe der Mietendeckel in Berlin wohl erste Spuren hinterlassen, fügte der Analyst Charles Boissier von der Schweizer Großbank UBS hinzu. Ungeachtet dessen seien die Fundamentaldaten für Berlin stark.

Auch Analyst Manuel Martin von der Investmentbank Oddo BHF monierte die Bewertungszuwächse, die hinter seinen Erwartungen geblieben seien. Der drohende Mietendeckel in Berlin sorge für erhebliche Unsicherheit. Deshalb empfiehlt Martin jetzt die Aktie zum Verkauf und senkte das Kursziel deutlich.

Nach Ansicht von Analyst Pierre Drache des Analysehauses Independent Research trifft zwar der Berliner Mietendeckel Deutsche Wohnen stärker als die Wettbewerber, aber dessen Folge sei nach den Kursrückgängen seit Bekanntgabe bereits im Aktienkurs eingepreist. Aktuell erweitere Deutsche Wohnen das Portfolio erheblich in anderen Regionen. Zudem verwies er auf die bestätigte Jahresprognose.

Von den von dpa-AFX befragten 19 Analysten empfiehlt etwas mehr als die Hälfte die Aktie zum Kauf. Während acht Experten das Papier zum Halten empfehlen, sprechen sich die restlichen zwei für den Verkauf aus. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 40,35 Euro und damit rund 30 Prozent über dem aktuellen Kursniveau.

DAS MACHTE DIE AKTIE ZULETZT:

Die ansonsten erfolgsverwöhnten Aktionäre der Deutschen Wohnen haben seit der Diskussion um ein Einfrieren der Mieten wenig Anlass zur Freude. Die Aktien des Immobilienkonzerns haben seit ihrem Hoch von 44,83 Euro Ende März mehr als 30 Prozent an Wert verloren. Nach Vorlage der Halbjahreszahlen und Aussagen zum Berliner Mietmarkt rutschte das Papier auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Derzeit kostet der Titel um die 31 Euro.

Seit dem Tief von 2,02 Euro während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 hat sich die Aktie des Berliner Immobilienkonzerns in den vergangenen Jahren nur in eine Richtung bewegt und zwar nach oben./mne/jsl/fba