BERLIN (dpa-AFX) - Berlin geht in der Wohnungspolitik neue Wege: Seit Sonntag gilt in der Hauptstadt ein Mietendeckel. Mit dem bundesweit bisher einmaligen Gesetz werden die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen für fünf Jahre eingefroren. Die rot-rot-grüne Koalition will so den zuletzt starken Anstieg der Wohnkosten in der Hauptstadt bremsen. In manchen Stadtteilen haben selbst Normalverdiener kaum noch Chancen, eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Klar ist schon jetzt, dass das im Januar vom Abgeordnetenhaus beschlossene Gesetz gerichtlich überprüft wird. CDU und FDP haben Verfassungsklagen auf Bundes- wie auf Landesebene angekündigt. Sie sehen ebenso wie Wirtschaftsverbände einen zu schwerwiegenden Eingriff in das Privateigentum und gehen davon aus, dass für die Mietenpolitik der Bund zuständig ist und nicht die Länder. Zudem würge der Mietendeckel Investitionen in den Wohnungsbau ab.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sieht den Mietendeckel hingegen als Vorbild für ganz Deutschland. "Wenn der Mietendeckel vom Gericht bestätigt wird, dann wird er - da bin ich sicher - nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen anderen Städten zum Tragen kommen", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Debatten über stark steigende Wohnkosten würden in etlichen großen Städten geführt. Vor diesem Hintergrund schauten viele jetzt "mit großem Interesse und sehr genau" nach Berlin.

Angesichts der von Union und FDP im Bundestag angekündigten Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht hofft Müller auf rasche Rechtssicherheit: "Damit die Menschen wissen, dass sie sich auf den Mietendeckel verlassen können." Für die Berliner biete der Mietendeckel eine "Atempause vor Mieterhöhungen". "Gleichzeitig werden wir die Zeit nutzen, neue bezahlbare Wohnungen zur Entlastung des Mietenmarktes zu bauen", versprach Müller.

Auch Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) unterstrich, dass mehr bezahlbarer Neubau unverzichtbar sei, um den Wohnungsmarkt zu entspannen. "Der Neubau wurde ganz bewusst vom Mietendeckel ausgenommen, denn die kommenden fünf Jahre sollen intensiv genutzt werden, um die Situation auf dem Wohnungsmarkt spürbar zu verbessern", so Lompscher. Gleichzeitig bringe der Deckel "das aus den Fugen geratene Mietniveau in Berlin wieder in eine Balance" und nehme vielen Menschen die Sorge vor der nächsten Mieterhöhung.

Der Deutsche Mieterbund geht davon aus, dass das Mietniveau in Berlin als Folge des Mietendeckel-Gesetzes mittelfristig sinkt. Zunächst verschaffe das Gesetz Mietern eine Atempause, sagte Geschäftsführer Ulrich Ropertz der dpa. Er hält es für denkbar, dass der Mietendeckel letztlich beim Bundesverfassungsgericht scheitert. "Es ist trotzdem richtig, dass das Land Berlin versucht, die Mietpreisspirale zu stoppen. Der Bundesgesetzgeber hat es in den letzten Jahren versäumt, wirksame Leitplanken im Mieterhöhungsrecht zu verabschieden."

Die Berliner CDU forderte am Sonntag erneut schnellstmögliche Rechtsklarheit über das von ihr massiv kritisierte Gesetz. "Je eher wir eine Entscheidung vor den Gerichten bekommen, desto besser für die Berliner. Denn so ein Deckel nützt keinem, wenn gesparte Mieten am Ende womöglich zurückzuzahlen sind", teilte der Fraktionssprecher für Bauen und Wohnen, Christian Gräff, mit.

Auf eine Korrektur durch die von CDU und FDP angekündigte Normenkontrollklage hofft auch die Immobilienwirtschaft. Investoren hätten sich bereits von Bauabsichten in Berlin zurückgezogen, berichtete der Präsident des Branchenverbands Zentraler Immobilienausschuss (ZIA), Andreas Mattner, am Sonntag. "Ich werde nicht müde zu sagen, dass Menschen, die nach Berlin kommen wollen, noch schwieriger eine Wohnung finden werden als bisher. Einkommensschwache Mieter konkurrieren dann mit einkommensstarken Mietern um die Restbestände", warnte er. Der ZIA spricht unter anderem für 28 deutsche Immobilienverbände.

Das Mietendeckel-Gesetz ist auf fünf Jahre befristet. Ausgenommen sind unter anderem Neubauwohnungen, die ab 1. Januar 2014 bezugsfertig wurden. Konkret werden die meisten Mieten auf dem Niveau vom 18. Juni 2019 eingefroren - an dem Tag hatte der Senat erste Eckpunkte beschlossen. Wird eine Wohnung künftig wieder vermietet, muss sich der Vermieter an neue, vom Staat festgelegte Obergrenzen und die zuletzt verlangte Miete halten. Ab 2022 dürfen die Mieten zum Inflationsausgleich um bis zu 1,3 Prozent jährlich steigen.

Vorgesehen ist auch eine Möglichkeit für Mieter, vor Gericht gegen überhöhte Mieten zu klagen und sich Geld zurückzuholen. Dieser Teil soll aber erst in etwa neun Monaten in Kraft treten. Bei Verstößen gegen den Mietendeckel drohen Vermietern bis zu 500 000 Euro Bußgeld./kr/ah/cpe/DP/nas