"Mein Anspruch ist zu wachsen - mit guten Deals", sagte Weimer am Dienstag auf der Bilanzpressekonferenz in Frankfurt. Für Zukäufe habe der Dax-Konzern zwei Milliarden Euro in der Kasse und könne bei einer guten Übernahmegelegenheit zudem die Aktionäre um frisches Kapital bitten. "Natürlich haben wir den Anspruch, dass die LSE und andere nicht zu weit enteilen." Die London Stock Exchange (LSE) hatte im Sommer den Kauf des Datenanbieters Refinitiv für 27 Milliarden Dollar angekündigt.

Einen so großen Deal könne die Deutsche Börse nicht stemmen, denn dann verlöre sie das für die Tochter Clearstream nötige gute Rating, erklärte Weimer. Ob er jedoch größeren Zukäufe als in der Vergangenheit ins Auge fassen will, ließ er offen. In einer Branche, in der Zukäufe und Fusionen (M&A) eine immer stärkere Bedeutung erhielten, müsse man sich das Thema anschauen, sagte er lediglich und verwies auf den Kapitalmarkttag am 28. Mai. Dann will er seine neue Drei-Jahres-Strategie namens "Compass 2023" präsentieren.

Zuletzt hatte die Deutsche Börse die UBS-Fondsvertriebsplattform Fondcenter für rund 360 Millionen Euro und Axioma für rund 850 Millionen Dollar übernommen. Axioma, einen Anbieter von Risikomanagement-Software, will der Konzern mit seinem Index-Geschäft verschmelzen und damit einen neuen Informationsanbieter aufbauen.

Weitere Ziele hat Weimer offenbar schon im Visier. Auf die Frage, ob er an der Devisenplattform Currenex interessiert sei, sagte der Börsenchef: "Wir werden uns in den Bereichen, in denen wir wachsen wollen, und dazu gehört das Devisengeschäft, auch die Dinge anschauen, die auf den Markt kommen". Auch das Italien-Geschäft der LSE würde sich die Deutsche Börse sicherlich anschauen, sollten die Londoner sich davon trennen wollen. Zur LSE gehört auch die Mailänder Börse.

NEUE STRATEGIE

Bei der neuen Strategie gehe es darum, an einzelnen Stellschrauben zu drehen. "Wir sehen angesichts der Entwicklung unserer Börse keinen Anlass, das Ruder herumzureißen oder die Richtung fundamental zu ändern. Unser Geschäftsmodell ist intakt", sagte der Börsenchef, dessen Vertrag erst vergangene Woche bis Ende 2024 verlängert worden war. So schaue sich die Börse die wachsende Bedeutung der Abwicklung von Wertpapieren per Blockchain ("Tokenisierung") an. "Das dürfen wir nicht an uns vorbeigehen lassen."

Im vergangenen Jahr profitierte die Börse von Zukäufen, neuen Produkten und der zunehmenden Verlagerung des außerbörslichen Handels auf Börsenplattformen. Dies trieb die Nettoerlöse um sechs Prozent auf 2,9 Milliarden Euro in die Höhe. Der bereinigte Konzerngewinn legte um zehn Prozent auf 1,1 Milliarden Euro zu. "Wir sind sehr zufrieden", sagte Weimer. "Wir haben unsere Wachstumsziele trotz widriger Marktumstände erfüllt." Die zyklisch bedingten Nettoerlöse - also die Umsätze, die von den Schwankungen an den Finanzmärkten und den Zinsen abhängen - seien sogar leicht rückläufig gewesen. Für dieses Jahr stellte Weimer einen Gewinnanstieg auf 1,2 Milliarden in Aussicht, die strukturell bedingten Nettoerlöse sollen erneut um mindestens fünf Prozent zulegen. Die Aktie der Börse stieg um 0,7 Prozent auf das Rekordhoch von 155,95 Euro.