LONDON/NEW YORK (dpa-AFX) - Der Stellenabbau bei der Deutschen Bank dürfte nach Einschätzung eines führenden britischen Branchenverbandes keine größeren Auswirkungen auf den Finanzstandort London haben. Man müsse berücksichtigen, dass in London rund 776 000 Menschen im Finanzsektor und in damit verbundenen Dienstleistungen arbeiteten, darunter 147 000 im Bankenwesen, teilte ein Sprecher des Verbandes TheCityUK am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur mit. Während jeder Jobverlust bedauerlich sei, stelle eine Zahl von beispielsweise 2000 Arbeitsplätzen nur etwa 0,3 Prozent des Gesamtwertes dar. Solch eine Zahl könne von der Branche durchaus aufgefangen werden.

Die auf Finanzdienstleistungen spezialisierte Headhunter-Firma Execuzen geht davon aus, dass eine Reihe der Betroffenen einige Schwierigkeiten dabei haben dürfte, einen neuen Job zu finden. "Alles hängt von den Fähigkeiten derjenigen ab, die ihren Arbeitsplatz verloren haben", sagte Execuzen-Chef Adrian Ezra. Andererseits dürften Banker mit gefragten Qualifikationen schnell neue Stellen finden, da Firmen sie nun nicht mehr aus den Verträgen bei ihrem alten Arbeitgeber herauskaufen müssten.

Die Deutsche Bank hatte am Sonntag einen radikalen Umbau beschlossen, um ihre Dauerkrise zu beenden. Bis zum Ende des Jahres 2022 sollen weltweit rund 18 000 Vollzeitstellen bei Deutschlands größtem Geldhaus gestrichen werden. Bis dahin will der Dax-Konzern seine Belegschaft auf etwa 74 000 Vollzeitkräfte verringern. Ende März 2019 hatte die Bank weltweit knapp 91 500 Vollzeitbeschäftigte, davon gut 41 500 in Deutschland. Wie viele der rund 8000 Stellen in der Finanzmetropole London wegfallen, ist noch nicht bekannt. Anfang der Woche hatten jedoch bereits die ersten Mitarbeiter in der britischen Hauptstadt ihre Büros geräumt.

Mehr Hoffnung als in der Londoner City bietet entlassenen Deutschbankern indes die US-Finanzmetropole New York. Natürlich belastet der Job-Kahlschlag die Stimmung im US-Hauptquartier der Deutschen Bank an der Wall Street, doch das Investmentbanking in den Vereinigten Staaten galt nach diversen Skandalen und Rechtskonflikten ohnehin schon lange als Großbaustelle, so dass die Entlassungen hier wenig überraschend kamen. Viele Mitarbeiter sollen sich schon länger nach neuen Jobs umsehen, der Finanzdienst Bloomberg berichtete schon vergangene Woche über Stapel von Umzugskisten und leere Büros.

Anders als in Europa, wo Konjunkturprobleme und Brexit-Sorgen der Finanzindustrie die Geschäfte erschweren, können sich die meisten Banken in den USA derzeit nicht beklagen. Für gefeuerte Mitarbeiter der Deutschen Bank könnte sich etwa die Bank of America als Zuflucht anbieten, berichtete das Karriereportal "efinancialcareers" unter Berufung auf einen Headhunter. Zudem kämen einige Finanzkonzerne im Nachbarland Kanada in Frage. Auch der US-Branchenriese Citigroup, der bereits einige Führungskräfte der Deutschen Bank übernommen hat, will sein Investmentbanking weiter ausbauen und sucht Personal.

Die Deutsche Bank ist in den USA schon seit Jahren auf Schrumpfkurs, 2018 ging die Mitarbeiterzahl in Nordamerika laut Unternehmensangaben bereits um 1083 Stellen zurück. Im vergangenen Jahr hatte die Bank schon angekündigt, eine Niederlassung im texanischen Houston zu schließen und ihr New Yorker Hauptquartier im Finanzdistrikt an der Wall Street zu verlassen, um ins Zentrum Manhattans an den Columbus Circle am Rande des Central Parks umzuziehen. In dem neuen Gebäude, das allerdings erst im dritten Quartal 2021 bezogen werden soll, steht knapp ein Drittel weniger Bürofläche zur Verfügung./trs/hbr/DP/jha