Die Banken im Euroraum begannen im März damit, ihre Forderungen gegenüber der öffentlichen Hand im Inland (bestehend sowohl aus Schuldverschreibungen als auch aus Krediten) stark zu erhöhen. Dies markiert das Ende eines seit 2015 existierenden Trends sinkender oder stabiler Forderungen. Die Banken weiteten ihr Engagement im März um EUR 61 Mrd. aus, im April um EUR 82 Mrd. und im Mai um EUR 52 Mrd., was das stärkste jemals verzeichnete Wachstum in drei aufeinander folgenden Monaten darstellt. Ende Mai erreichten die ausstehenden Forderungen insgesamt EUR 2.173 Mrd. Im gleichen Zeitraum legten auch die Forderungen der Banken an andere Staaten des Euroraums um EUR 67 Mrd. auf EUR 580 Mrd. zu (+13%, verglichen mit +10% bei inländischen Forderungen). Durch diesen, relativ betrachtet, sogar größeren Zuwachs verringerte sich der 'Home Bias' - das Verhältnis der Bankforderungen gegenüber dem inländischen zu allen Staaten des Euroraums - leicht auf 79%.

Auch relativ gesehen stiegen die Forderungen an den inländischen öffentlichen Sektor. Im Verhältnis zur Bilanzsumme nahmen sie um 30 Bp. auf 6,4% zu, trotz eines beträchtlichen Wachstums der Aktiva auf EUR 35,2 Billionen Ende Mai. Die Banken vergaben dank der stark erhöhten Nachfrage mehr Kredite an Unternehmen und vergrößerten auch ihre eigenen Liquiditätspuffer bei der Zentralbank. Dagegen blieben Kapital und Rücklagen nahezu unverändert, was die Forderungen gegenüber dem heimischen Staat von 78% des Eigenkapitals Ende Februar auf 86% Ende Mai ansteigen ließ. Die Forderungen der Banken gegenüber allen Staaten des Euroraums kletterten auf 7,8% der Bilanzsumme und 109% des Eigenkapitals.

Ein Blick auf die nationalen Bankenmärkte offenbart beträchtliche Unterschiede innerhalb des Euroraums, obwohl alle Bankensysteme (mit Ausnahme der Niederlande) ihre Forderungen gegenüber dem inländischen Staat absolut und relativ gesehen erhöht haben. Von den fünf größten Ländern verzeichneten die Banken in Italien und Spanien die stärkste Zunahme und den höchsten Anteil an inländischen Staatsschulden. In Frankreich und Deutschland liegt der Anteil unter dem Durchschnitt des Euroraums. Niederländische Banken sind finanziell am wenigsten gegenüber der heimischen öffentlichen Hand exponiert.

Der Gesamtanstieg der Forderungen an den Staat war hauptsächlich auf außergewöhnlich umfangreiche Käufe von Schuldverschreibungen zurückzuführen, während es bei den Krediten an den öffentlichen Sektor kein vergleichbar kräftiges Plus gab. Dies deutet darauf hin, dass die Banken in erster Linie die nationalen Regierungen finanzierten, da Regionalregierungen Wertpapiere weniger stark nutzen und Kommunalverwaltungen zur Deckung ihres Finanzbedarfs meist Darlehen aufnehmen. Im März brachten die nationalen Regierungen im Schnellverfahren expansive fiskalische Programme auf den Weg, um den durch den Corona-Lockdown verursachten wirtschaftlichen Einbruch abzumildern. Gleichzeitig schnellte die Nettoemission von Staatsanleihen in die Höhe. Im März betrug sie EUR 84 Mrd. und war damit doppelt so hoch wie der langfristige Durchschnitt. Im April explodierte sie auf EUR 172 Mrd. Die Banken finanzieren also einen beträchtlichen Teil der expansiven Fiskalpolitik.

Angesichts des wirtschaftlichen Abschwungs könnten die Banken aus Gründen der Sicherheit in Staatsschulden des Euroraums investieren. Darüber hinaus könnten die Banken Staatsschulden kaufen, um sie bei der EZB gegen Liquidität zu hinterlegen. Dank gestiegener Renditen waren Anleihen aus den Peripherieländern aber auch attraktiver geworden. Angesichts von Refinanzierungsmöglichkeiten bei der EZB zu Null- oder Negativzinsen hilft ein solcher 'Carry Trade' den Banken natürlich, dringend nötige Zinseinnahmen zu generieren. Was auch immer die Gründe sind, der Nexus zwischen Staat und Banken im Euroraum wird derzeit wieder enger.

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Deutsche Bank AG veröffentlichte diesen Inhalt am 02 Juli 2020 und ist allein verantwortlich für die darin enthaltenen Informationen.
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