BERLIN (dpa-AFX) - Wie seine Fahrradkuriere muss sich auch der Essenslieferant Delivery Hero kräftig abstrampeln: Bei der Vorlage seiner Halbjahreszahlen kassierte der MDax-Neuling am Donnerstag seine Gewinnziele. Denn die Unternehmensspitze um Niklas Östberg kündigte an, mehr Geld in das Angebot stecken zu wollen, um die Kunden bei der Stange zu halten. Gleichzeitig gab das Berliner Unternehmen den Rückzug aus mehreren Märkten bekannt.

Die Börse reagierte zunächst verzweifelt: In der Spitze verlor das Papier, das seit Mitte Juni im Mittelwerteindex MDax notiert ist, nahezu 9 Prozent an Wert. Bis gegen Mittag reduzierte sich das Minus auf zuletzt 1,36 Prozent. Die Aktie kostete damit 48,04 Euro. An der Börse hatten Anleger seit dem Börsengang im vergangenen Sommer Delivery Hero in Erwartung baldiger Gewinne reichlich Vorschusslorbeeren gegeben. Der Kurs hatte sich seit dem Debüt zeitweise auf bis rund 52 Euro nahezu verdoppelt.

Denn ursprünglich wollte das Unternehmen Ende dieses Jahres erstmals im operativen Geschäft schwarze Zahlen schreiben. Doch daraus wird jetzt nichts, denn Delivery Hero will im laufenden Jahr zusätzliche 80 Millionen Euro in die Hand nehmen, wie der Konzern ankündigte. Das Geld soll etwa in das Marketing und technische Verbesserungen fließen. Im kommenden Jahr soll noch einmal eine ähnlich hohe Summe investiert werden.

Vor allem in noch wenig entwickelten Märkten wie Asien und Lateinamerika sieht Östberg hierfür Potenzial. Aber auch in sehr wettbewerbsintensiven Märkten wie Deutschland will Delivery Hero aufrüsten. Im Moment ist das Unternehmen hier noch mit Marken wie "Lieferheld", "Foodora" und "Pizza.de" als Marktführer unterwegs. Das soll auch so bleiben. "Wo wir eine führende Position haben, wollen wir diese festigen", so Unternehmens-Gründer Östberg.

Der gebürtige Schwede sieht die angekündigten Aufwendungen deshalb als "lohnendes Investment" in die Zukunft. Denn im Kern gehe es dabei um die Verbesserung der Kundentreue. Bestellen die Esser dauerhaft wieder, soll sich das in Zukunft in einer verbesserten Profitabilität auszahlen. Wann Östberg aber nun endlich schwarze Zahlen liefern will, ließ er in einer Telefonkonferenz auf Nachfrage offen.

Der Essensliefermarkt wächst, ist aber zunehmend hart umkämpft. Größen wie der Online-Händler Amazon tummeln sich inzwischen dort, und auch der Taxi-Vermittlungsdienst Uber ist inzwischen mit eigenen Angeboten in einigen Ländern durchaus erfolgreich vertreten. Delivery Hero, das aus der Startup-Schmiede Rocket Internet kommt, hat seine internationale Expansion in den vergangenen Jahren vorangetrieben, gleichzeitig wenig vielversprechende Geschäfte verkauft.

Erst im Juni veräußerte Delivery Hero sein Schweiz-Geschäft an Takeaway.com. Nun kündigte das Unternehmen den Rückzug aus Frankreich, Italien sowie den Niederlanden an, wo der große Konkurrent Takeaway.com sein Heimspiel hat. Auch in Australien will Delivery Hero künftig nicht mehr mitmischen, dort wird Foodora voraussichtlich sogar ganz eingestellt. In Südamerika tauscht Delivery Hero mit dem Konkurrenten iFood sein brasilianisches Geschäft gegen dessen Argentinien-Präsenz ein.

Im ersten Halbjahr konnte Delivery Hero dank zunehmender Bestellungen seinen Umsatz weiter ankurbeln. Die Erlöse kletterten um 48 Prozent auf 357 Millionen Euro. Die vorläufige bereinigte operative Marge (Ebitda) betrug hingegen minus 15 Prozent. Gleichzeitig hob Delivery Hero seine Umsatzprognose an und erwartet nun 760 bis 780 Millionen Euro für 2018. Allein durch die neuen Vermarktungskampagnen erhofft sich Östberg in diesem Jahr zunächst 9 Millionen Euro an zusätzlichen Umsatz durch wiederkehrende Kunden, im kommenden Jahr sollen es dann 25 Millionen Euro sein./tav/she/jha/