"Es steht eine weitere Konsolidierungswelle an. Das heißt, dass wir auch mit Norwegian in Kontakt stehen", bekundete Lufthansa-Chef Carsten Spohr gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" deutlicher als bisher das Interesse des Dax-Konzerns. Anfang Juni hatte Spohr im Reuters-Interview erklärt: "Jeder spricht zurzeit mit jedem. Wir leben auf einem kleinen Kontinent." Seit April bestürmte der britisch-spanische Luftfahrtkonzern IAG die Norweger. Deren Chef Björn Kjos zufolge streckte auch der größte Billigfluganbieter Europas, Ryanair, die Fühler nach Norwegian aus, was Ryanair allerdings bestritt.

Das Werben um die defizitären Norweger kam in Fahrt, seit IAG im April eine Kapitalerhöhung der Skandinavier zum Einstieg mit 4,6 Prozent nutzte. Zwei unverbindliche Offerten der Briten lehnte Großaktionär Kjos bereits als zu niedrig ab. IAG-Chef Willie Walsh setzt darauf, dass die steigenden Kerosinpreise schwache Airlines unter die Fittiche von stärkeren treibt. Norwegian habe mit seinem starken, teuren Expansionskurs auf Dauer keine Chance allein. Doch IAG werde in keinen Bieterkampf einsteigen, erklärte Walsh vergangene Woche.

Es gebe mehrere potenzielle Käufer und Investoren, bekräftigte Norwegian am Montag. Diese hätten vorläufiges Interesse an Aktienkäufen, einer Übernahme, Finanzierung oder finanzieller wie operativer Kooperation geäußert, erklärte ein Sprecher. "Norwegian glaubt, das Interesse mehrerer Parteien demonstriert die Attraktivität unseres Geschäfts." Zumindest kurzzeitig trieb Spohrs Aussage den Preis für Norwegian nach oben. Die Aktien verteuerten sich an der Börse in Oslo um bis zu zwölf Prozent. Lufthansa-Aktien hielten sich leicht im Plus, während der Dax ein Prozent im Minus lag.

Nach der Aufteilung der Pleite gegangenen Air Berlin und dem Verschwinden der kleinen britischen Gesellschaft Monarch im vergangenen Jahr wäre eine Übernahme von Norwegian der nächste große Schritt zu stärkerer Konzentration am zerklüfteten Luftverkehrsmarkt in Europa. Auch die staatliche überschuldete Alitalia war auf der Suche nach einem neuen Eigentümer und im Gespräch unter anderem mit der Lufthansa. Doch liegt der Prozess unter der neuen Populisten-Rechts-Regierung in Rom auf Eis.

INSIDER: NORWEGIAN PASST ZU EUROWINGS

Übernahmen seien immer eine Frage des strategischen Mehrwertes, des Preises und der wettbewerbsrechtlichen Möglichkeiten, erklärte der Lufthansa-Chef weiter. An anderer Stelle in dem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" sagte Spohr, das Langstrecken-Angebot der Billigtochter Eurowings sei ein großes Thema für den Konzern. "Da habe ich noch viel Fantasie für die Zukunft." Norwegian war die erste Billigfluggesellschaft in Europa, die auch Langstrecken bedient. Strategisch würde die Airline daher gut zu Eurowings passen, hieß es in Branchenkreisen. "Der Vorteil ist, das ist ein funktionierender Flugbetrieb mit niedrigen Kosten", sagte ein Insider mit Kenntnis der Überlegungen. Doch gebe es noch keine formellen Verhandlungen. "Ob daraus was wird, ist offen."

Die Lufthansa-Tochter hat gerade alle Hände voll zu tun, die mehr als 70 von Air Berlin übernommenen Maschinen sowie Brussels Airlines und 3000 zusätzliche Beschäftigte zu integrieren. Doch Gelegenheiten zu Übernahmen dürfe man nicht versäumen, auch wenn sie gerade nicht zum eigenen Zeitplan passten, sagte Spohr zu Reuters am Rande der Tagung des Weltluftfahrtverbandes IATA in Sydney. "Als Europas größte Airline wären wir in der Lage, Gelegenheiten zu ergreifen, wenn es sie gibt."