- von Jörn Poltz

Im Skandal um den insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard ermitteln deutsche Staatsanwälte noch umfassender als bisher bekannt.

Neben Betrug, Untreue, Bilanzfälschung und Marktmanipulation steht für die Strafverfolger in München als weiterer Verdacht auch Geldwäsche im Raum. "Wir ermitteln wegen Geldwäscheverdachts gegen Verantwortliche des Unternehmens und gegen Unbekannt", sagte eine Sprecherin am Donnerstag. Die Behörde gehe entsprechenden Anzeigen aus dem laufenden und aus dem vergangenen Jahr nach. Eine Wirecard-Sprecherin lehnte eine Stellungnahme ab.

Der Dax-Konzern aus Aschheim bei München galt jahrelang als eines der erfolgreichsten Finanztechnologie-Unternehmen weltweit. Doch nach Aufdeckung eines Bilanzlochs von 1,9 Milliarden Euro im Juni brach Wirecard zusammen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb unter anderem wegen Bilanzfälschung gegen den zurückgetretenen Vorstandschef Markus Braun und weitere Manager. Wegen des Verdachts verschiedener Finanzstraftaten im Umfeld von Wirecard ermitteln Behörden weltweit, unter anderem in den USA, in Singapur und auf den Philippinen. So war Mittwoch bekannt geworden, dass US-Behörden einer möglichen Verwicklung Wirecards in einen 100 Millionen Dollar schweren Bankbetrug bei Handel mit Marihuana nachgehen. Demnach sollen zwei Geschäftsleute zusammen mit Zahlungsabwicklern US-Banken über die Herkunft der Gelder getäuscht haben. Nach einem Bericht der "Irish Times" wurden auf Wunsch der Münchener Staatsanwaltschaft auch Büros der Firma in Dublin durchsucht.

Bereits 2010 und 2015 nahmen die Münchner Strafverfolger Wirecard wegen Geldwäscheverdachts ins Visier. Ein umfangreiches Ermittlungsverfahren sei 2012 nach zwei Jahren mangels Tatverdachts eingestellt worden, sagte eine Sprecherin. In einem weiteren Verfahren durchsuchten die Müncher Ermittler im Jahr 2015 im Auftrag der USA Büros von Wirecard. Was aus diesem Verfahren wurde, ist nicht bekannt. Die Münchner verweisen auf das US-Justizministerium, das sich seinerseits nicht äußert.

Unterdessen räumt das Land Bayern Lücken in der Geldwäscheaufsicht ein. "Aufgrund der Struktur der Wirecard-Gruppe und den Regelungen im Geldwäschegesetz besteht keine Gruppenaufsicht über sämtliche Tochterunternehmen der Wirecard AG", erklärte Innenminister Joachim Herrmann auf Anfrage der SPD-Opposition im Landtag. Nach der Wirecard-Pleite entbrannte ein Streit über eine Mitverantwortung deutscher Aufsichtsbehörden.

Zuletzt hatten sich die bundesweite Finanzaufsicht Bafin und Bayern gegenseitig die Verantwortung für die Geldwäsche-Aufsicht bei dem Online-Zahlungsabwickler zugewiesen. Trotz jahrelanger Geldwäsche-Vorwürfe von verschiedenen Seiten sprachen Bund und Land erst im Februar dieses Jahres über mögliche Kontrollen bei Wirecard. Dies sei seit dem 25. Februar von Bayern und BaFin diskutiert worden, erklärte Herrmann. Erst am 25. Juni, dem Tag der Wirecard-Insolvenz, sei auch das Bundesfinanzministerium in die Gespräche eingeschaltet worden.

Die Bürgerbewegung Finanzwende fordert nach dem Wirecard-Bilanzskandal einen radikalen Umbau der Bonner Finanzaufsicht BaFin. "Diese Behörde braucht ein komplett anderes Selbstverständnis von ihrer Arbeit", sagte Finanzwende-Chef Gerhard Schick am Donnerstag. Sie verweise zu oft auf ihre "vermeintliche Nichtzuständigkeit", schöpfe ihre Möglichkeiten aber gar nicht aus. Außerdem müsse sie lautstark auf mögliche Aufsichtslücken hinweisen.