LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Noch vor einem Jahr war die Welt für den Kunststoff-Spezialisten Covestro in bester Ordnung: Der Absatz brummte, die Verkaufspreise waren hoch. Spätestens seit dem zweiten Halbjahr hat sich das Blatt aber gewendet - schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Anlegern, die die Papiere im Zuge des Dax-Aufstiegs im März 2018 kauften, dürfte trotz des einjährigen Dax-Jubiläums kaum zum Feiern zumute sein. Die Lage des Konzerns, was die Aktie macht und was die Analysten sagen:

DAS IST LOST BEI COVESTRO:

Die ehemalige Kunststoff-Sparte des Agrarchemie- und Pharmakonzerns Bayer produziert Grundstoffe für Hart- und Weichschäume (Polyurethane) sowie für harte Kunststoffe (Polycarbonate), die wegen ihres geringen Gewichts und guter Dämmeigenschaften unter anderem in der Auto- und Bauindustrie gefragt sind. Entsprechend profitierte Covestro vom Auto- und Bauboom der vergangenen Jahre. Hinzu kamen Produktionsengpässe der Konkurrenz. Absatz und vor allem die erzielten Preise zogen kräftig an. Die Gewinne sprudelten denn auch 2017 und Anfang 2018 geradezu.

Der seit Juni 2018 amtierende Covestro-Chef Markus Steilemann und Finanzchef Thomas Toepfer warnten zwar frühzeitig, dass die Bäume nicht weiter in den Himmel wachsen würden - sprich sich die Absatzpreise normalisieren -, vom Ausmaß wurden aber auch sie überrascht. Im November kappte Covestro die Jahresziele denn auch wegen "einer stärker als erwarteten Wettbewerbsintensität". Zudem bereitete der niedrige Wasserstand des Rheins dem Unternehmen, wie vielen anderen Konzernen auch, Kopfschmerzen. Eine geregelte Schifffahrt auf dem für den Gütertransport wichtigen Fluss war im Herbst nicht möglich. Das trieb die Transportkosten in die Höhe.

Langfristig gibt sich das Unternehmen trotz der zuletzt holprigen Entwicklung indes zuversichtlich. So werden 1,5 Milliarden Euro in den Bau einer Großanlage zur Herstellung des Weichschaum-Grundstoffes MDI am US-Standort Baytown fließen. Sie soll ab Mitte kommenden Jahrzehnts produzieren. Um das Geschäft zudem weniger anfällig für die oftmals starken Schwankungen etwa der Auto- und Baubranche zu machen, will Steilemann das Unternehmen durch Zukäufe im kleinsten Unternehmensbereich für Lacke, Klebrohstoffe und Spezialanwendungen robuster aufstellen.

Der Manager steuert auch mit einem Sparprogramm gegen. Dies betrifft vor allem die Verwaltung. Zudem soll das Standardgeschäft gestrafft und ein zentrales Marketing aufgebaut werden. Spätestens 2021 sollen so jährliche rund 350 Millionen Euro eingespart werden.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Nach dem Kurseinbruch im vergangenen Jahr gehen die meisten Analysten davon aus, dass das Schlimmste überstanden ist. Das durchschnittliche Kursziel der im dpa-AFX-Analyser erfassten 14 Experten, die sich seit der Vorlage der Geschäftszahlen für 2018 und des Ausblicks für 2019 Ende Februar geäußert haben, liegt bei knapp 54 Euro. Nur einer rät zum Verkauf der Papiere, acht zum Halten und fünf zum Kaufen.

Nachdem die durchschnittliche Markterwartung für das operative Ergebnis (Ebitda) für 2019 seit September um rund 40 Prozent gefallen sei, erscheine sie nun ausreichend niedrig, sagt etwa Analyst Sebastian Satz von der britischen Bank Barclays. Die in diesem Zuge gesunkene Aktienbewertung erscheine wieder attraktiv. Der Experte begründet seine Zuversicht unter anderem mit Anzeichen einer möglichen Erholung der MDI-Preise.

Analyst Laurence Alexander vom Investmenthaus Jefferies glaubt zwar, dass die Sorge über eine nachlassende Nachfrage in den USA 2020/21 die Sparmaßnahmen des Konzerns im Jahresverlauf überschatten könnten. Rückenwind könnte die Bewertung aber durch weitere Aktienrückkäufe und eine steigende Kapitalrentabilität erhalten.

Skeptisch beleibt indes Analyst Peter Spengler von der DZ Bank, der zum Verkauf der Papiere rät. Angesichts sukzessive auf den Markt kommender neuer Produktionskapazitäten von Wettbewerbern wie BASF und Wanhua sei kurzfristig keine Verbesserung der Lage zu erwarten. Er reduzierte seine Erwartungen und rechnet 2019 nun mit einem Einbruch des Ebitda auf 1,83 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Covestro stellt einen Wert zwischen 1,5 und 2,0 Milliarden in Aussicht, was nach 3,2 Milliarden 2018 ein Rückgang um mindestens 37,5 Prozent wäre.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Bayer hatte seine Kunststoff-Sparte 2015 unter dem Namen Covestro für 24 Euro je Papier an die Börse gebracht. Nach wechselhaften ersten Börsenmonaten ging es ab Sommer 2016 nach oben. Anfang 2018 erreichte der Kurs dann die Bestmarke von 95,78 Euro. Die folgende Talfahrt fand erst im Dezember bei 41,42 Euro ihr vorläufiges Ende. Seither läuft eine Bodenbildung. Dabei unterstützt auch die Dividendenrendite von fast 5 Prozent, nachdem Ende Februar eine Erhöhung der Ausschüttung auf 2,40 Euro je Aktie angekündigt wurde.

Mit Kursen zwischen 48 und etwas über 50 Euro hielten sich die Papiere zuletzt über der 50 Tage-Linie. Der Durchschnittskurs der letzten 50 Tage gilt charttechnisch orientierten Anlegern als ein Indikator des mittelfristigen Trends. Bis zum Indikator für den längerfristigen Trend, der 200-Tage-Linie, fehlt allerdings noch ein ganzes Stück.

Insgesamt bringt es Covestro an der Börse auf einen Wert von knapp neun Milliarden Euro, was den vorletzten Platz im deutschen Leitindex Dax bedeutet. Ein Abstieg aus dem Index droht Experten zufolge wegen des hohen Streubesitzes, also frei handelbarer Aktien, aber nicht. So hatte sich Bayer in den vergangenen Jahren noch vor dem jüngsten Kurseinbruch schrittweise von Covestro-Anteilen getrennt und hält nur noch einen Restbestand, um eine im Jahr 2020 fällige Umtauschanleihe bedienen zu können./mis/elm/jha/