(neu: Reaktion Betriebsrat im 7. Absatz, Kurs aktualisiert im 2. Absatz.)

HANNOVER (dpa-AFX) - Der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental verschiebt die lange geplante Abspaltung seiner Antriebssparte wegen der Corona-Krise auf unbestimmte Zeit. Zuletzt hatte der Konzern noch einen reinen Spin-Off bis Ende des Jahres anvisiert, doch das ist nun nicht mehr zu halten. Das Vorhaben erfordere bessere Marktbedingungen, hieß es am Donnerstag nach einer Vorstandssitzung des Dax-Konzerns in Hannover. Der nun für den 14. Juli online geplanten Hauptversammlung wird der Plan nicht mehr zur Entscheidung vorgelegt.

Die Conti-Aktie gab am frühen Nachmittag um 2,6 Prozent auf 78,32 Euro nach. Das Papier ist nicht erst seit dem Corona-Crash an den Börsen arg gebeutelt. Noch vor gut zwei Jahren war es auf seinem Rekordhoch 257,40 Euro wert, bis die Marktschwäche auf den Automärkten Conti schwer in Mitleidenschaft zog. Allein in diesem Jahr hat die Aktie bisher mehr als 30 Prozent eingebüßt. Vor dem 24. Februar, als die Pandemie den Aktienmarkt erstmals voll erfasst hat, bekamen Anleger noch über 110 Euro für den Anteilsschein.

In dem Vitesco getauften Unternehmensteil fertigt Conti Antriebsstränge und zugehörige Teile für Verbrenner und Elektroautos. Von im vergangenen Jahr 44,5 Milliarden Euro Umsatz machten die Hannoveraner 7,8 Milliarden Euro mit Antrieben. Schon lange plant Conti, die Antriebe vom Rest des Konzerns zu trennen - auch weil Verbrennertechnik in den kommenden Jahren immer mehr unter Druck kommen dürfte und die Systeme für Elektromotoren noch keinen Gewinn abwerfen. Über 40 000 der mehr als 240 000 Conti-Mitarbeiter sind im sogenannten Powertrain-Geschäft beschäftigt.

Zunächst war ein Teilbörsengang der Wunsch von Konzernchef Elmar Degenhart und Finanzchef Wolfgang Schäfer. Doch die Aussichten, an der Börse viel Geld für die Sparte zu bekommen, verflogen zusehends, bis sich Conti zuletzt schon auf einen reinen Spin-Off festlegte. Dabei wird die Conti-Aktie quasi in einen Conti-Teil und einen Vitesco-Teil getrennt und beide Teile werden den bisherigen Aktionären ins Depot gebucht. Rund 46 Prozent der Conti-Aktien gehören derzeit der Industriellenfamilie Schaeffler, die auch den gleichnamigen fränkischen Autozulieferer kontrolliert.

"Die Auswirkungen der Corona-Krise haben zwar den Markt vorübergehend angehalten, aber die Grundlagen künftigen Marktwachstums nicht verändert. Daher verfolgen wir unsere Spin-Off-Pläne konsequent weiter", sagte Degenhart nach einer Vorstandssitzung. "Sie sind zweifelsfrei der richtige Weg, den Continental und Vitesco Technologies gemeinsam und entschlossen zu Ende gehen werden, sobald sich das Marktumfeld spürbar verbessert und gefestigt hat und sich als berechenbarer erweist als zurzeit."

Conti-Vorstand und Vitesco-Geschäftsführung wollen nun Maßnahmen ergreifen, die sicherstellen sollen, dass die Abspaltung von Vitesco mit kurzer Vorbereitungszeit erfolgen kann. "Die entscheidenden Vorbereitungen dafür werden bis zum Jahresende vollzogen sein", sagte Vitesco-Chef Andreas Wolf. "Dann kommt es nur noch auf das passende Timing im Marktumfeld an."

Der spätere Spin-Off bedarf nach wie vor der Zustimmung von Aufsichtsrat und Hauptversammlung. Diese Beschlüsse seien in diesem Jahr nicht mehr erforderlich und würden daher von Continental vorerst nicht angestrebt. Bestimmte eingeplante Kosten für die Abspaltung würden nun später anfallen. "Es ist vernünftig, ein so ambitioniertes Vorhaben nicht inmitten einer weltweiten Krise um jeden Preis umzusetzen", sagte Betriebsratschef Hasan Allak. "Eine Umsetzung dieses Projekts in der aktuellen Situation hätte trotz der abgeschlossenen Tarifverträge und Vereinbarungen beide Unternehmen überfordert."

Laut einem Medienbericht in der "Wirtschaftswoche" hatte es im Aufsichtsrat des Konzerns schon vor einiger Zeit Unstimmigkeiten über die Kapitalausstattung der geplanten Abspaltung gegeben. Wie viel Vitesco am Markt wert sein wird, entscheidet sich nicht nur über die Geschäftslage und die Wachstumsperspektiven, sondern auch daran, wie viele Schulden dem abgespaltenen Teil mit auf den Weg gegeben werden.

Conti hatte sich im vergangenen Jahr wegen schwacher Geschäfte und Aussichten einen weitreichenden Umbau- und Sparkurs verordnet. Damit will Degenhart Conti stärker auf Sensorik, Elektronik und Software ausrichten, alte Felder wie Hydraulik werden heruntergefahren. Möglichst viele Mitarbeiter sollen weiterqualifiziert werden, es könnte jedoch auch zu einem empfindlichen Personalabbau kommen. Bis 2023 dürfte es bei Continental im Rahmen der bisherigen Pläne weltweit für 15 000 Arbeitsplätze "Veränderungen" geben./men/kro/mis/jha/