FRANKFURT/LONDON/NEW YORK/ZÜRICH (dpa-AFX) - Die neuerliche Umsatz- und Gewinnwarnung von Continental hat am Donnerstag zahlreiche Kurszielsenkungen von Analysten nach sich gezogen. Viele Experten strichen ihre Schätzungen zusammen. Die meisten blieben jedoch bei ihren positiven Einschätzungen der Aktien, da nach dem Kurseinbruch am Vortag auch die gesenkten Kursziele immer noch ein deutliches Erholungspotenzial implizieren.

Der Autozulieferer und Reifenhersteller hatte am Mittwoch wegen schwächerer Geschäfte und höherer Kosten erneut seine Prognosen für das laufende Jahr gekappt. Vor allem das Ausmaß der Kürzung für das bereinigte operative Ergebnis sei signifikant, schrieb Analyst Tim Rokossa von der Deutschen Bank.

Allerdings erwischte nicht nur die Deutlichkeit, sondern auch der Zeitpunkt der Prognosesenkungen die Experten auf dem falschen Fuß: "Der Umstand, dass Continental seine Jahresziele nur etwas mehr als zwei Wochen nach Bekanntgabe der Halbjahreszahlen wieder abräumte, hat viele Akteure perplex gemacht", brachte es die US-Bank Citigroup auf den Punkt. Analystin Dorothee Cresswell von der britischen Investmentbank Barclays stellte gar die firmeninternen Planungsmechanismen in Frage.

Für Florian Treisch von Mainfirst hat der Autozulieferer und Reifenhersteller die Kostenkontrolle verloren und Vertrauen verspielt. Treisch reagierte mit einer Abstufung besonders negativ und traut den Aktien nicht mehr zu, sich in den nächsten zwölf Monaten um mindestens 5 Prozent besser als der europäische Auswahlindex Stoxx-Europe-600-Index zu entwickeln. Kurzfristig sieht er keine Gründe für eine höhere Bewertung der Anteilsscheine. Gleichwohl liegt sein von 250 auf 180 Euro gekapptes Kursziel immer noch rund 15 Prozent über dem aktuellen Kurs von gut 157 Euro.

Ein Ausrufezeichen setzte ebenfalls Analyst Kai Müller von der US-Investmentbank Merrill Lynch, indem er die Aktien von einer europäischen Empfehlungsliste strich. Allerdings bleibt Conti sein Favorit unter den europäischen Autozulieferern, zumal die Anteilsscheine im historischen Vergleich unterbewertet seien.

Nach der Umsatz- und Gewinnwarnung von Continental wurden zur Wochenmitte auch die Aktien vieler Branchenunternehmen in Mitleidenschaft gezogen. Der Deutsche-Bank-Experte Rokossa betonte jedoch, dass der größte Teil der Gewinnwarnung auf spezifische Probleme bei Continental zurückgehen dürfte.

Ähnlich sieht es Analyst Sascha Gommel von der Schweizer Bank Credit Suisse: Nach der Telefonkonferenz des Unternehmens im Anschluss an die Prognosesenkung kam er zum Schluss, dass die Absatzschwäche in der Autosparte nicht mit einem umfassenden Rückgang der Nachfrage, sondern insbesondere mit dem ungünstigen Produktmix von Continental zusammenhänge. So hätten die Hannoveraner ihr Geschäft derzeit eher auf die klassischen Limousinen ausgerichtet. Aktuell jedoch kaufen die Kunden verstärkt SUVs. Gommel schraubte sein Kursziel besonders deutlich auf 174 Euro nach unten und riet Anlegern, an der Seitenlinie zu bleiben.

Einige Fachleute richteten derweil ihren Blick verstärkt in die Zukunft. Bereits am Mittwoch hatte Analyst Frank Schwope von der Landesbank NordLB vermutet, dass der Kursrutsch der Conti-Aktien um zeitweise fast 15 Prozent teilweise auch die Unsicherheit der Marktteilnehmer über die anstehende Umstrukturierung des Konzerns reflektieren könnte. Das Unternehmen will sich in eine Reifen-, eine Autozuliefer- und eine Antriebsstrang-Sparte gliedern. Letztere soll Anfang 2019 abgespalten werden. Nun ist klar: Die für das Jahr 2019 geschätzten Ziele können auch dort nicht mehr erreicht werden.

Diese Zielverfehlung allerdings kam zumindest für den Mainfirst-Experten Treisch und den Analysten David Lesne von der Schweizer Bank UBS nicht überraschend. Die Markterwartungen hätten bereits zuvor rund 15 bis 30 Prozent unter den ursprünglich von Continental angepeilten Werten rangiert, betonte Lesne. Unter dem Strich empfiehlt er weiterhin einen Kauf der Aktien./la/ag/jha/