Die Wolfsburger kündigten am Mittwoch als erster großer Automobilkonzern an, das Riesenprojekt einer Fertigung von Batteriezellen der nächsten Generation anzugehen. "Wir dürfen uns langfristig nicht von wenigen asiatischen Herstellern abhängig machen", sagte Konzernchef Herbert Diess am Mittwoch bei der Präsentation der Halbjahreszahlen in Wolfsburg. VW werde in seinem Gemeinschaftsunternehmen mit dem kalifornischen Start-up Quantum Scape in den kommenden zwei bis drei Jahren erkunden, ob Feststoffzellen - ein technologischer Sprung zu den bisher verwendeten Lithium-Ionen-Batterien - industriell produziert werden könnten. Falls ja, sei eine Pilotfertigung 2022/23 vorstellbar und eine Serienfertigung dann ab 2024/25. Die technische Entwicklung sei bereits vielversprechend.

Batteriezellen sind das Kernstück von Elektroautos. Denn sie bestimmen, wie weit ein solches Fahrzeug mit einer Batterieladung fahren kann. Entscheidend ist auch ein Netz an Ladestationen, das hierzulande erst aufgebaut wird. Die deutschen Autobauer kaufen die herkömmlichen Lithium-Ionen-Zellen bei Herstellern aus Japan, Korea und China ein. Doch das Zukunftsgeschäft mit den Batterien der nächsten Generation soll nicht allein den Asiaten überlassen werden, fordern Politiker und Gewerkschafter. Sie drängen die Hersteller, die Zellen selbst in großem Stil in Deutschland zu produzieren. Nun stellte Diess eine Fabrik für Feststoff-Batterien in Europa in Aussicht, unter Umständen sogar in Deutschland.

Der Konzernchef zeigte sich enttäuscht, dass sein Vorschlag für eine europäische Produktion von Batteriezellen der aktuellen Lithium-Ionen-Technik nicht aufgenommen worden sei. "Wir sind etwas zurückgescheut, weil das üblicherweise eine Aufgabe für Zulieferer gewesen wäre." Nun habe Volkswagen entschieden, sich beim nächsten Schritt selbst zu engagieren. Die Wolfsburger hatten dazu unlängst ihre Beteiligung an dem Start-up Quantum Scape erhöht und investieren dort 100 Millionen Dollar. "Wir haben unser Geld ins Körbchen gelegt. Aber es ist ein Start-up, und nicht alle Start-ups schaffen es in die Serienproduktion", dämpfte Diess Erwartungen an eine rasche Realisierung. Volkswagen werde jedoch "alles tun, damit sie es schaffen."

Die Hoffnung auf eine gemeinsame Zellfertigung für Lithium-Ionen-Batterien in Europa hat Volkswagen allerdings noch nicht aufgegeben. Die Ansätze dafür seien jetzt ganz gut. "Ich würde es nicht ausschließen, dass wir das ein oder andere europäische Konsortium anschieben können, weil wir eine europäische Fabrik brauchen." Diess verwies in dem Zusammenhang auf den chinesischen Batteriezell-Produzent CATL, der eine erste Fabrik in Thüringen hochziehen will, um Autobauer wie Daimler, Volkswagen und BMW zu beliefern.

TEMPO BEI EINSPARUNGEN SOLL STEIGEN

Volkswagen investiert in den nächsten Jahren insgesamt 34 Milliarden Euro in die Elektromobilität, autonomes Fahren und die Digitalisierung. Gleichzeitig müssen Milliarden in die Hand genommen werden, um die Klimaziele zu erreichen. Zudem müssen die Verbrennungsmotoren sauberer werden. Um diese gewaltigen Kosten zu stemmen und mit einer ansprechenden Rendite für Investoren interessant zu bleiben, will Diess die Kosten weiter deutlich senken. Er kündigte an, die Effizienz bis 2025 über alle Marken und Werke hinweg um 30 Prozent zu steigern. Dazu sollen demnächst Gespräche mit dem Betriebsrat aufgenommen werden. Der vor fast zwei Jahren ausgehandelte Zukunftspakt läuft noch bis 2020. Er enthält neben Beiträgen der Belegschaft zur Effizienzsteigerung auch Zusagen des Managements zur Auslastung der Werke.

Dank sprudelnder Einnahmen aus dem Autogeschäft ist Volkswagen derzeit in der Lage, kräftig zu investieren. Mit dem Hochfahren der Produktion von Elektroautos wird der Kraftakt in den nächsten Jahren jedoch größer. Hinzu kommen immer noch hohe Mittelabflüsse durch die Dieselkrise. Im zweiten Quartal verbuchte der Konzern das von der Staatsanwaltschaft Braunschweig verhängte Bußgeld von einer Milliarde Euro. Zudem legte Volkswagen weitere 600 Millionen Euro für "Rechtsverteidigung" zur Seite, wie Finanzchef Frank Witter erläuterte. Insgesamt türmen sich die Kosten der 2015 aufgeflogenen Dieselmanipulation damit auf 27,4 Milliarden Euro. Das Ende der Fahnenstange dürfte damit noch nicht erreicht sein. Denn Volkswagen ist mit Klagen von Investoren konfrontiert, die einen Ausgleich für ihre in der Dieselkrise erlittenen Kursverluste fordern. Vor dem Oberlandesgericht Braunschweig beginnt im September ein Musterverfahren, bei dem es um Ansprüche von fast vier Milliarden Euro gegen Volkswagen und den Haupteigner Porsche SE geht.

Der kräftig gestiegene Absatz sorgte im zweiten Quartal dafür, dass der operative Gewinn vor Sondereffekten um fast ein Viertel auf knapp 5,6 Milliarden Euro sprang. Damit übertraf der Betriebsgewinn selbst besonders optimistische Erwartungen. Trotzdem konnte Volkswagen an der Börse nicht punkten, weil die Umstellung auf das aufwendigere Abgasmessverfahren WLTP den Konzern bremst und die Marge in der zweiten Jahreshälfte unter Druck setzt. Das Papier war am Nachmittag mit einem Abschlag von 2,5 Prozent zweitgrößter Verlierer im Dax.