Genf (awp) - Der Genfer Richemont-Konzern hat im Sommerhalbjahr mehr Schmuck und Uhren verkauft als noch vor einem Jahr. Das Wachstum ging aber teilweise auf Kosten der Rentabilität, was den Aktienkurs am Freitag in den Keller rasseln liess.

Was bleibt, ist die Sorge, den Konsumenten in China könnte die Lust auf Luxusgüter im Getöse um den Handelsstreit mit den USA bald vergehen. Erste Kratzer haben sich im Geschäft in Asien bereits gezeigt: Im letzten Monat des im September zu Ende gegangenen Halbjahres 2018/19 von Richemont hat sich das Wachstum abgeschwächt.

Finanzchef Burkhart Grund begründete dies etwa mit der Schliessung von Hongkonger Boutiquen während mehrerer Tage, als ein Taifun über die ehemalige britische Kolonie hinwegfegte.

Daher hätten sich wohl viele Einkaufstouristen erst gar nicht auf den Weg nach Hongkong gemacht, sagte Grund an einer Telefonkonferenz. Auch in Europa habe das Geschäft mit asiatischen Kunden gelitten. Rund die Hälfte des weltweiten Umsatzes machen die Richemont-"Maisons" mit Touristen.

Wachstum schwächt sich ab

Trotz dieser Delle nahm der Gruppenumsatz in den Monaten April bis September um Zukäufe und Währungseffekte bereinigt um 8 Prozent zu. Nach fünf Monaten hatte das Plus noch 10 Prozent betragen. Mit zweistelligen Wachstumsraten entwickelte sich dabei das Geschäft in Asien und Amerika am besten. In Europa konnte Richemont nur leicht zulegen.

Nimmt man die Akquisitionen des italienischen Online-Händlers Yoox-Net-a-Porter und der britischen Online-Plattform Watchfinder dazu, dann kletterte der Umsatz um gut ein Fünftel auf 6,81 Milliarden Euro in die Höhe. Im Mai hatte man Yoox, das Richemont zuvor zur Hälfte besass, ganz einverleibt. Und Anfang Juni wurde Watchfinder dazugekauft.

Die Online-Verkaufskanäle will man nun einen entscheidenden Schritt voranbringen, wie Burkhart Grund erklärte. Dazu wurde die Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens mit dem chinesischen Tech-Riesen Alibaba lanciert, das den Fokus auf App-Angebote in China legt.

Sondereffekte prägen das Bild

Die Einflüsse aus Akquisitionen verzerrten das Bild auch in der unteren Hälfte der Erfolgsrechnung. Der Reingewinn wurde von einem Bewertungsgewinn auf Yoox-Aktien begünstigt und stieg auf 2,25 Milliarden Euro nach knapp einer Milliarde im Vorjahr. Dabei geht es um jene Aktien, die Richemont bereits vor der Vollübernahme der Italiener in den eigenen Büchern hatte.

Etwas besser lässt sich die Leistung von Richemont anhand des Betriebsergebnisses ablesen, das um 3 Prozent auf 1,13 Milliarden Euro zurückging. Doch auch hier spielten Sonderfaktoren eine Rolle. Auf Bilanzposten der übernommenen Online-Firmen und im Zusammenhang mit dem Verkauf der seit Jahren defizitären Lederwarenmarke Lancel erfolgten nämlich Abschreibungen im Umfang von 159 Millionen.

Profitables Schmuckgeschäft

Ein höherer Umsatz gepaart mit weniger Gewinn ergibt automatisch weniger Marge: Die operative Marge sank daher um deutliche 4,1 Prozentpunkte auf noch 16,6 Prozent. Teilweise hat der Rückgang auch damit zu tun, dass die neu zu Richemont gestossenen Online-Verkäufer im Vergleich mit den Schmuck- und Uhrenhäuser tiefere Margen erzielen.

Ohne den Einfluss der Übernahmen wäre die Marge laut Richemont leicht auf 21,1 Prozent gestiegen. Das ist das Verdienst der Schmuckhäuser Cartier und Van Cleef & Arpels: Schliesslich nahmen die Schmuckverkäufe im Halbjahr um 9 Prozent zu und die Marge erhöhte sich um 2,8 Punkte auf hohe 33,8 Prozent. Die Marge der Uhrenhersteller betrug 18,5 Prozent.

Wachstumstrend hält an

"Für die Luxusgüterbranche wird entscheidend sein, welchen Einfluss der Handelsstreit auf die Wechselkurse ausüben wird", sagte Grund mit Blick auf das Geschäft mit Chinesen. Immerhin habe sich der Gruppenumsatz im Oktober in etwa wie im Halbjahr entwickelt, was gut sei.

Doch dies vermochte die Anleger nicht zu besänftigen: Die Richemont-Aktie verlor am Freitag 6,4 Prozent auf 69,10 Franken und riss die Titel des Branchennachbarn Swatch (-5,1 Prozent auf 322,40 Franken) gleich mit.

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