Die deutsche Inflation ist trotz der Corona-Krise im Juni überraschend gestiegen.

Die Teuerungsrate kletterte auf 0,9 von 0,6 Prozent im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Im Mai lag sie noch auf dem niedrigsten Stand seit September 2016. Volkswirte hatten mit einem unveränderten Niveau gerechnet. Ökonom Marco Wagner von der Commerzbank spricht von einem "letzten Sprung" nach oben: "Im zweiten Halbjahr dürfte die Inflationsrate angesichts der temporären Mehrwertsteuersenkung deutlich geringer ausfallen."

Die Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008/09 zeigten zwar, dass die Firmen die niedrigere Umsatzsteuer nur zum Teil an die Verbraucher weitergäben. Dies dürfte aus Sicht des Commerzbank-Experten allerdings ausreichen, die Teuerungsrate im Juli nahe an die Null-Linie zu drücken. Die Bundesregierung hat beschlossen, zur Stärkung der Binnennachfrage in der Coronakrise die Mehrwertsteuer ab Mittwoch für ein halbes Jahr von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise von sieben auf fünf Prozent zu senken.

Das Statistische Bundesamt hatte jüngst die Effekte der anstehenden Steuersenkung auf die Inflation durchgespielt: Bei vollständiger Weitergabe an die Kunden könne dies "rein rechnerisch" einen Rückgang der Verbraucherpreise um 1,6 Prozent verursachen. Inwieweit die Senkung an Verbraucher weitergereicht werde, sei jedoch noch unklar, da eine vollständige Weitergabe nicht gesetzlich verordnet sei.[L8N2DS2CY]

Diese absehbaren Preisentwicklungen in Deutschland dürfte der Europäischen Zentralbank (EZB) zusätzliche Sorgen bereiten: Sie sieht eine Inflation von knapp zwei Prozent als ideal für die Konjunktur an, verfehlt dieses Ziel aber für den Euro-Raum schon seit Jahren. Auch die am Dienstag anstehenden Inflationsdaten aus dem Währungsraum für Juni dürften nicht nach dem Geschmack der Währungshüter ausfallen: Experten erwarten ein Plus von lediglich 0,1 Prozent.

Der weltweite Konjunktureinbruch infolge der Corona-Pandemie hat den Ölpreis in den vergangenen Wochen gedrückt und damit auch die Inflation in Deutschland gebremst. Energie verbilligte sich den Statistikern zufolge im Juni binnen Jahresfrist um 6,2 Prozent - damit aber nicht mehr so stark wie noch im Mai mit 8,5 Prozent. Der Effekt sinkender Ölpreise auf die Inflation sei zu Ende, sagte Helaba-Experte Ralf Umlauf in einer ersten Reaktion zu den Daten. Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse verteuerten sich hingegen erneut weit überdurchschnittlich um 4,4 Prozent. Dienstleistungen kosteten 1,4 Prozent mehr, wobei die Wohnungsmieten um 1,4 Prozent anzogen. Waren verteuerten sich insgesamt um 0,2 Prozent, nach einem Minus von 0,4 Prozent im Mai.