FRANKFURT (awp international) - Die Negativzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) treffen immer mehr Bankkunden in Deutschland. Die Commerzbank berechnet sie einigen Unternehmen mittlerweile bereits ab dem ersten Euro. Für Schlagzeilen sorgte kürzlich die Volks- und Raiffeisenbank im oberbayerischen Fürstenfeldbruck, weil sie seit 1. Oktober Negativzinsen auf Tagesgeldkonten neuer Privatkunden erhebt - ebenfalls vom ersten Euro an.

Bei der Commerzbank ist dem Vernehmen nach eine überschaubare Zahl der 70 000 Firmenkunden betroffen. Nach Informationen des "Handelsblatts" (Mittwoch) handelt es sich dabei meist um Kunden, die auf ihrem Commerzbank-Konto relativ viel Geld liegen haben, mit denen das Frankfurter Institut sonst aber kaum Geschäfte macht.

"Bei Firmenkunden, grossen Konzernen, institutionellen Kunden und Kunden des öffentlichen Sektors, die hohe Guthaben als Einlagen bei uns parken, haben wir seit Beginn der Negativzinsen sukzessive eine individuelle Guthabengebühr für die überschüssige Liquidität vereinbart", erklärte die Bank. "Auch die erneute Zinssenkung der EZB werden wir daher grundsätzlich an unsere Firmenkunden weitergeben."

Geschäftsbanken müssen aktuell 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Etliche Institute geben diese Negativzinsen seit geraumer Zeit an Firmenkunden weiter. Auch besonders reiche Privatkunden sind bei einigen Banken schon länger betroffen.

Dass die Commerzbank die Negativzinsen an einen grösseren Kundenkreis als bisher weitergeben wird, hatte Finanzvorstand Stephan Engels vor zwei Wochen angekündigt. Treffen könnte es demnach auch Privatkunden der Commerzbank, die deutlich mehr als eine Million Euro auf dem Bankkonto haben.

Das Vorgehen der Volksbank Fürstenfeldbruck demonstriert nach Ansicht des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) die paradoxen Folgen der Niedrigzinspolitik der EZB: Banken versuchen, mit Hilfe von Negativzinsen neue Kunden abzuwehren, die Geld anlegen wollen. Denn viele Institute haben ohnehin einen Überhang an Einlagen und haben bereits Schwierigkeiten, diese Gelder rentierlich anzulegen.

GVB-Präsident Jürgen Gros nimmt seine Kollegen in den Ortsbanken in Schutz: "Faktisch aber geht es darum, gegenüber Neukunden ein Signal zu setzen, deren Einlagen Kosten verursachen würden", sagte Gros der Deutschen Presse-Agentur. Die Volks- und Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck wolle ihre Bestandskunden ausdrücklich schützen.

Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) rät Kunden, sich bei ihrer Bank beraten zu lassen und je nach Situation und Risikoneigung auch alternative Anlageformen wie Fonds in Betracht zu ziehen. "Denn Geld allein auf dem Tagesgeldkonto zu sparen, ist bei dieser Zinssituation ohnehin nicht ideal", erklärte eine BVR-Sprecherin. Der Verband vertritt knapp 900 Genossenschaftsbanken in Deutschland./ben/nas/cho/DP/men