FRANKFURT/BERLIN (dpa-AFX) - Die deutsche Wirtschaft sieht die Zuspitzung der Auseinandersetzung zwischen den USA und Iran mit Sorge. "Das ist ein weiterer Unsicherheitsfaktor, dessen wirtschaftliche Auswirkungen nur schwer abzuschätzen sind", ließ der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann, am Mittwoch mitteilen. "Fakt ist, dass die Region für die Weltölversorgung von maßgeblicher Bedeutung ist und somit jeder Vorfall Unruhe mit sich bringt."

Eine weitere Eskalation könnte die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung von Volkswirten empfindlich treffen. Sollte es zu einem Krieg in der ölreichen Region kommen, könnte sich Erdöl als Schmierstoff der Weltwirtschaft erheblich verteuern.

"Der Ölpreis würde in die Höhe schießen und läge ganz schnell über 100 Dollar", prognostizierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Das wäre ein Ölpreisschock, der die Weltwirtschaft und natürlich die deutsche Wirtschaft in die Knie zwingen würde. Aber damit rechnen wir nicht."

Nach dem tödlichen US-Drohnenangriff auf den iranischen General Ghassem Soleimani nahe Bagdad Ende vergangener Woche hatte der Iran als Vergeltungsschlag in der Nacht zum Mittwoch zwei von den Amerikanern genutzte Militärstützpunkte im Nachbarland Irak mit Raketen beschossen. Die Sorge vor einer weiteren Eskalation ist groß.

Es sei entscheidend, wie sich die Lage im Nahen Osten nun entwickele, analysierte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Im Falle einer weiteren Eskalation könnte es nach seiner Einschätzung zu einer "längeren Unterbrechung der Ölexporte aus der Region am Persischen Golf" kommen. "Da dort rund ein Fünftel des weltweiten Ölangebots herkommt, würde das zu einem deutlichen Ölpreisanstieg führen, mit negativen Folgen für die europäische und deutsche Konjunktur", warnte Fuest.

Aus deutscher Produktion gehen vor allem Maschinen und Anlagen in die Region am Persischen Golf, aber auch Fahrzeuge und Fahrzeugteile. Diese Branchen wären entsprechend von einer weiteren Eskalation des Konflikts am stärksten betroffen.

Der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, bekräftigte: "Es ist derzeit noch zu früh, um die wirtschaftlichen Folgen des aktuellen Konflikts zu beurteilen. Die jüngste Zuspitzung macht aber wenig Hoffnung, dass sich die Geschäftsperspektiven und Investitionsabsichten deutscher Unternehmen auf der Arabischen Halbinsel und im Nahen Osten bald wieder bessern."

Einen sprunghaften Anstieg der Energiepreise in Deutschland erwarten Experten zunächst nicht. "Die Ölversorgung Deutschlands ist ungeachtet der aktuellen Vorfälle weiterhin gesichert", betonte ein Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV).

Im Jahr 2018 - neuere Zahlen liegen dem Verband noch nicht vor - seien von 85,2 Millionen Tonnen Ölimporten nach Deutschland 273 000 Tonnen oder 0,3 Prozent aus dem Iran gekommen, aus dem Irak 3,0 Millionen Tonnen oder 3,5 Prozent.

Am Mittwoch zogen die Ölpreise vorübergehend sprunghaft an und erreichten zeitweise den höchsten Stand seit mehreren Monaten. Im Handelsverlauf drehte dann am Ölmarkt die Tendenz. Höhere Ölpreise könnten dazu führen, dass Autofahrer an der Tankstelle mehr für Benzin und Diesel zahlen müssen. Zwar hängen die Kraftstoffpreise nach Angaben der Mineralölwirtschaft nicht direkt am Ölpreis. Lege dieser zu, steige aber über kurz oder lang meistens auch der Produktpreis für Benzin und Diesel.

Fluggesellschaften strichen am Mittwoch Flüge in die Krisenregion und wollen den dortigen Luftraum bis auf Weiteres meiden. "Wir überfliegen derzeit weder Iran noch Irak", teilte die Lufthansa mit. Deutschlands größte Fluggesellschaft müsse daher etwa eine Handvoll Flüge pro Tag umplanen. Betroffen seien Verbindungen nach Indien.

Urlauber aus Deutschland reagieren nach Angaben von Reiseveranstaltern bisher gelassen. "Aktuell beobachten wir keine Veränderung im Buchungsverhalten unserer Gäste", berichtete Branchenprimus Tui. Für Ägypten gebe es derzeit ein Plus bei den Buchungen, ebenso für Dubai. DER Touristik, Alltours sowie Schauinsland-Reisen stellen ebenfalls aktuell keine vermehrten Anfragen von Reisenden fest. Es gebe keine Anzeichen, "dass Urlauber mit Buchungen für die Region zögern oder Reisende sehr verunsichert sind", hieß es bei DER Touristik.

Iran als Reiseziel haben vor allem Spezialanbieter wie Studiosus im Programm. Das Münchner Unternehmen hatte am Dienstag mitgeteilt, mit Ausnahme des Irans sehe man derzeit keine Veranlassung, von Reisen in die Region abzusehen.

Die Finanzmärkte präsentierten sich am Mittwoch verunsichert, allerdings beruhigten sich die Märkte nach anfangs heftigen Reaktionen wieder. Gold, das in Krisenzeiten als verlässliches Investment gilt, war gefragt. In der Nacht zum Mittwoch stieg der Kurs für eine Feinunze des Edelmetalls (etwa 31,1 Gramm) erstmals seit dem Jahr 2013 über die Marke von 1600 US-Dollar./ben/mar/DP/he