Nach dem Corona-Einbruch ziehen die deutschen Exporte nun so stark an wie seit mindestens 30 Jahren nicht mehr.

Sie stiegen im Juni um 14,9 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Auch die schwächelnde Industrie löst sich aus der Schockstarre und fährt - vor allem dank der anziehenden Autobranche - ihre Produktion mit elf Prozent so deutlich hoch wie noch nie seit der Wiedervereinigung. "Das Glas ist definitiv wieder mehr als nur halbvoll", sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. Doch der Weg zurück zur Normalität und zum Vorkrisenniveau ist noch weit und steinig. "Die Krise wird weiter lodern", sagte der DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier zur Lage der Exporteure. Grund seien die maue Nachfrage und weniger Investitionen wegen der globalen Wirtschaftskrise.

So blieben wegen der pandemiebedingten Rezession bei vielen wichtigen Handelspartnern auch die Ausfuhren noch deutlich unter dem Vorjahresniveau. Die Unternehmen lieferten Waren im Wert von 96,1 Milliarden Euro ins Ausland und damit 9,4 Prozent weniger als im Juni 2019. Während die Exporte nach China im Juni binnen Jahresfrist um 15,4 Prozent stiegen, sanken die Ausfuhren in die von der Corona-Pandemie besonders betroffenen USA um fast 21 Prozent. Die Großbritannien-Exporte brachen um knapp 16 Prozent ein. "Das erste Halbjahr 2020 war ein nie dagewesener Rückschlag für die deutschen Exporte", sagte Experte Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Der Juni-Anstieg könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass 2020 ein schwieriges Jahr bleiben werde - mit einem erwarteten Exportminus von 15 Prozent.

Für die Firmen sei es wichtig, dass die vielen, zur Bekämpfung des Virus eingeführten Handelshemmnisse wieder abgebaut würden. "Ansonsten droht nach der Corona-Krise die Protektionismus-Krise", warnte Treier. Für positive Signale sorgten überraschend gute Export-Zahlen aus China. Dort stiegen die Ausfuhren im Juli um 7,2 Prozent zum Vorjahr und damit so stark wie seit Dezember nicht. Die Stabilisierung des chinesischen Außenhandels setze wichtige Impulse für eine Erholung des Welthandels, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. "Davon profitieren auch deutsche Unternehmen." Der Außenhandelsverband BGA erwartet mehr Dynamik aus China als aus der EU. "Ebenso zeigt sich auch, dass China die USA nicht ersetzen kann - wir brauchen beide Player." Die Exporteure kämpften sich nur "mühsam aus dem tiefem Tal zurück."

"AUTOMOBILINDUSTRIE MACHT DIE MUSIK"

Auch in der Industrie geht es langsam wieder aufwärts. Die gesamte Produktion - also Industrie, Bau und Energieversorger zusammen - kletterte im Juni um 8,9 Prozent. Dies ist der größte Anstieg seit Beginn der Datenerhebung 1991. Allerdings liegt der Ausstoß noch rund zwölf Prozent unter dem Stand vor der Corona-Krise im Februar. Für Schwung sorgt die Fahrzeugbranche samt Zulieferern. "Die Automobilindustrie macht die Musik", sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle. "Während des Lockdowns kam deren Produktion fast zum Erliegen; nachdem nun die Bänder der Autofertigung wieder teilweise laufen, werden hier nun die höchsten Zuwächse erzielt." Im Juni produzierte die Branche knapp 55 Prozent mehr als im Mai, aber noch gut 20 Prozent weniger als im Februar.

Wie aus einer Umfrage des Ifo-Instituts hervorgeht, rechnen deutsche Industriebetriebe auch in den kommenden drei Monaten mit steigender Produktion. Die Stimmung in der Branche hellte sich demnach im Juli den dritten Monat in Folge auf. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht zwar auch einen positiven Trend, warnte aber: "Angesichts der nach wie vor schwachen Nachfrage insbesondere aus dem Ausland und der weiterhin großen Unwägbarkeiten des Pandemieverlaufs dürfte der weitere Aufholprozess noch einige Zeit in Anspruch nehmen."

Die gesamte Wirtschaft steht 2020 vor einer tiefen Rezession und war im zweiten Quartal bereits um 10,1 Prozent eingebrochen. Doch im laufenden Vierteljahr rechnen Ökonomen wie die Commerzbank-Experten mit einem deutlichen Wachstum. Für das Gesamtjahr sagt die EU-Kommission Deutschland dennoch einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 6,3 Prozent voraus und damit den stärksten Einbruch in der Nachkriegszeit.