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BERLIN (dpa-AFX) - Wirtschaftsminister Peter Altmaier geht mit einem Konzept für eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags in die Offensive. Der CDU-Politiker will, dass auch Unternehmen und Top-Verdiener schnell entlastet werden. Er legt damit ein Gegenmodell zu Plänen von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vor - kurz vor Beratungen der Koalitionsspitzen am Sonntagabend und zwei Wochen vor den wichtigen Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen.

Scholz will den Soli für 90 Prozent der Zahler streichen, weitere 6,5 Prozent sollen ihn ab 2021 nur teilweise zahlen - je höher das Einkommen, desto mehr. Altmaier legte nun einen Fahrplan für ein komplettes Soli-Aus bis 2026 vor.

Eine Abschaffung des Zuschlags nur für 90 Prozent der Steuerzahler sei "dauerhaft verfassungsrechtlich problematisch" und auch nicht gerechtfertigt, heißt es in seinem Papier. Eine Vielzahl von Unternehmen und Freiberuflern, die einen "großen Beitrag zum Wohlstand dieses Landes leisten", blieben von einer Entlastung ausgeschlossen. "Zudem tragen die verbleibenden 10 Prozent der Zahler 50 Prozent der Gesamtlast."

Widerspruch kam von SPD-Fraktionsvize Achim Post. "Wir sollten in der Koalition jetzt das machen, was wir gemeinsam vereinbart haben und den Soli für 90 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abschaffen", sagte Post. "Das ist kein Pappenstiel, den wir da planen, sondern eine milliardenschwere Entlastung für Millionen von Steuerzahlern gerade auch mit niedrigeren oder mittleren Einkommen."

Die SPD sei zwar offen dafür, den Soli komplett abzuschaffen, sagte Post. "Wir sind und bleiben aber dagegen, dass eine solche Komplett- Abschaffung zu einem milliardenschweren Entlastungsprogramm für die absoluten Topverdiener in unserem Land wird. Eine Komplett- Abschaffung des Solis ist für uns nur denkbar, wenn die Entlastung von Topverdienern dadurch kompensiert wird, dass sie künftig eine höhere Einkommens- und Reichensteuer zahlen müssen." Ähnlich hatte sich bereits Scholz geäußert, die Union lehnt das aber ab.

Regierungssprecher Steffen Seibert verwies auf den Koalitionsvertrag, der eine schrittweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags vorsehe. Den Soli vollständig abzuschaffen, sei aber eine Aufgabe für die nächste Legislaturperiode.

Altmaier schlägt konkret ein "Abschmelzmodell" vor. Anders als Scholz setzt er dabei auf Freibeträge. Wer im Jahr 2021 weniger als 16 988 Euro Einkommensteuer entrichtet, soll keinen Soli mehr bezahlen. Bei allen anderen verringert sich die Steuerbemessungsgrundlage - trotz Überschreitung des Freibetrags muss also nicht das gesamte Einkommen versteuert werden. Damit würden alle bisherigen Solizahler ab 2021 Geld sparen, auch die Topverdiener. Der Freibetrag soll nach Altmaiers Plänen 2024 auf 50 000 Euro Einkommensteuer steigen, Kapitalgesellschaften sollen dann ausgenommen werden. Ab 2026 soll überhaupt kein Soli mehr anfallen.

Dagegen sieht Scholz in seinem Konzept eine Freigrenze von 16 956 Euro Einkommensteuer vor. Bis zu diesem Betrag soll kein Soli mehr fällig werden. Wird die Freigrenze überschritten, muss man jedoch das gesamte Einkommen versteuern. Topverdiener müssten damit auch 2021 weiterhin den vollen Soli zahlen.

Laut Wirtschaftsministerium würde eine stufenweise Voll-Abschaffung des Zuschlags im Jahr 2021 zusätzlich rund 2,8 Milliarden Euro und später noch einmal 12,5 Milliarden kosten. Zur Gegenfinanzierung könnten Ausgaben stärker priorisiert, Subventionen kritisch überprüft und Bundesbeteiligungen reduziert werden. Was dies konkret bedeutet, konnte eine Sprecherin zunächst nicht sagen. Der Bund hält Beteiligungen etwa an der Deutschen Post, der Deutschen Telekom oder der Commerzbank.

Altmaier sagte im ZDF-"Morgenmagazin", bei einer teilweisen Abschaffung werde die Hälfte des Soli weiter gezahlt - und zwar auf unbegrenzte Zeit. Dies sei ein erhebliches verfassungsrechtliches Risiko. Außerdem habe die Politik den Menschen vor 30 Jahren versprochen, dass der Soli komplett abgeschafft werde, wenn die Notwendigkeit entfallen sei.

FDP-Chef Christian Lindner warnte die Bundesregierung vor einem halbherzigen Vorgehen. Altmaiers Modell sei Augenwischerei: "Noch mindestens zwei Bundestagswahlen sollen die Menschen wählen, bis der Solidaritätszuschlag entfällt." Das sei typisch CDU: "Vor den Wahlen, diesmal vor zwei Wahlen, wird etwas versprochen. Und nach den Wahlen wird davon nichts gehalten."

Beifall bekam Altmaier dagegen von Wirtschaftsverbänden, die ihn in der Vergangenheit wiederholt kritisiert hatten. Der Industrieverband BDI lobte, insbesondere mittelständische Unternehmen würden profitieren. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte, es dürfe keine Zwei-Klassen-Entlastung geben, die die erfolgreich wirtschaftenden Betriebe des Handwerks benachteilige.

Der Präsident des Verbands Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée, sagte: "Besser spät als nie". Altmaiers Stufen-Konzept bringe wenigstens am Ende für alle Steuerzahler eine dringend notwendige Entlastung. Noch besser aber wäre es, den letzten Schritt früher einzuleiten. Gerade Eben-Worlée hatte Altmaier massiv kritisiert - vor allem, weil in dessen Industriestrategie der Mittelstand nicht auftauchte./tam/DP/zb